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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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183<br />

der Flugzeugbeschaffungsfrage. 36 Am 9. September 1972 beschloss der B<strong>und</strong>esrat<br />

nach einem sechsjährigen Evaluationsverfahren, das zwischen 20 <strong>und</strong> 30 Millionen<br />

Franken gekostet hatte, keinen der evaluierten Flugzeugtypen zu beschaffen. Für<br />

seinen Entscheid führte er vorwiegend finanzpolitische Überlegungen an. 37 Die<br />

Frage, ob der „Corsair“-Entscheid des B<strong>und</strong>esrates angemessen war oder nicht, sei<br />

hier nicht aufgeworfen. Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass die Regierung<br />

ihre Rüstungsexperten jahrelang auf der Gr<strong>und</strong>lage von Voraussetzungen arbeiten<br />

liess, die sie nachträglich als nicht mehr gültig bezeichnete. Die Corsair-Affäre illustriert<br />

unsere These, dass eine erspriessliche Artikulierung des Verhältnisses zwischen<br />

politisch Verantwortlichen <strong>und</strong> Experten in der Schweiz ausserordentlich<br />

schwierig ist.<br />

e) Die Gestaltungskraft von Verfassungsrecht<br />

Wir wissen wenig über die Gestaltungskraft von Rechtsvorschriften. Yehezkel Dror<br />

führte aus:<br />

„The use of law as an instrument of directed social change is widespread in all<br />

contemporary societies whether <strong>und</strong>erdeveloped or postindustrial, democratic or<br />

totalitarian. But both our systematic knowledge of how to use effectively and efficiently<br />

law, in order to achieve more of our goals, and our practical state of the<br />

art of doing so, approximate zero.“ 38<br />

Gemäss unserem ersten Standard für die Konstruktion heuristischer Verfassungsmodelle<br />

sind jedoch die Annahmen über die Gestaltungskraft von Verfassungsrecht<br />

explizit zu machen. Die vorgelegte Charakterisierung des derzeitigen Regierungssystems<br />

der Schweiz sowie die Ausführungen über die bisher praktizierte inkrementalistische<br />

Reformstrategie gestatten uns, diese Annahmen einigermassen klar zu<br />

fassen. Vorerst sei indessen noch auf die Null-Hypothese eingegangen, die besagt,<br />

dass Verfassungsrecht keine oder nur eine sehr geringe Gestaltungskraft besitzt.<br />

(1) Die Null-Hypothese<br />

Die Wahlen-Kommission zeigte sich betont skeptisch gegenüber der Möglichkeit,<br />

mit Verfassungsrecht den politischen Prozess in der Schweiz signifikant zu gestalten.<br />

Dem Verfassungsgesetzgeber bleibt nach Auffassung dieser Kommission nicht<br />

viel anderes übrig, als fürstenspiegelähnliche Ermahnungen an die politischen Akteure<br />

zu richten <strong>und</strong> zu hoffen, dass diese sich daran halten. 39 – Die Huber-<br />

Kommission vertrat den gleichen Gr<strong>und</strong>gedanken <strong>und</strong> stellte ihrem Gutachten einen<br />

Abschnitt voran unter dem Titel: „Die begrenzte Lenkungskraft von Rechtsvorschriften“.<br />

Darin heisst es unter anderem:<br />

36 Der zurückgetretene Rüstungschef Heiner Schulthess gewährte der Schweizer Illustrierten (siehe Nr.<br />

vom 18.9.1972) ein Interview <strong>und</strong> verhehlte dabei seinen Unmut nicht.<br />

37 Siehe die Stellungnahme von B<strong>und</strong>espräsident Celio im Nationalrat vom 4.10.1972 (NZZ, Nr. 465,<br />

5.10.1972, S. 15 f.).<br />

38 Dror, op. cit., S. 169 (Einleitung zum Kapitel „Law as an Instrument of Directed Social Change: A<br />

Framework for Policymaking“).<br />

39 Siehe oben S. 106 ff.

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