Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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the ingrained political values, beliefs, and symbols of a society, whether homogeneous<br />
or heterogeneous in character.“ 9<br />
Nicht nur zusätzliche Kenntnisse über politische Prozesse <strong>und</strong> eine entsprechende<br />
Verlagerung des Forschungsinteresses, sondern ein neues Wissenschaftsverständnis<br />
überhaupt führte dazu, dass Politikwissenschafter Verfassungsfragen in<br />
eine Randposition verwiesen oder – im Bestreben, die eigene Disziplin abzugrenzen<br />
– sie gänzlich den Juristen überliessen. – In dem bereits zitierten Sammelband<br />
über Comparative Politics nahmen Eckstein <strong>und</strong> Apter einzelne Beiträge<br />
zur Verfassungsthematik mehr der Vollständigkeit halber <strong>und</strong> in Verneigung vor<br />
einer erwürdigen Vergangenheit auf, in der diese Themen das Feld fast ausschliesslich<br />
beherrschten. 10 Ein 1970 erschienenes amerikanisches Textbook von<br />
Merkl über Modern Comparative Politics mit über 500 Seiten räumt dem Kapitel<br />
„Constitutions and Courts“ ganze 44 Seiten ein. 11<br />
Das erwähnte neue Wissenschaftsverständnis in der Politologie – dies muss hervorgehoben<br />
werden – führt nicht prinzipiell zum Ausschluss der Verfassungsthematik<br />
vom wissenschaftlichen Diskurs. Verfassungstechnologie bleibt zumindest<br />
theoretisch möglich. Wir wollen deshalb im folgenden Abschnitt sondieren, welchen<br />
Beitrag die zurzeit mindestens in den USA dominierende Strömung der Politikwissenschaft<br />
zu unserem verfassungstechnologischen Anliegen bieten könnte.<br />
b) Neopositivismus <strong>und</strong> Verfassungstechnologie<br />
Ohne hier einen umfänglichen epistemologischen Exkurs einlegen zu wollen, sei<br />
stichwortartig <strong>und</strong> vergröbert die Position des Neopositivismus oder der analytischen<br />
Wissenschaftstheorie umrissen: Nur jene Tätigkeit kann als „wissenschaftlich“<br />
bezeichnet werden, die sich mit Produktion oder Anwendung „nomologischen<br />
Wissens“ befasst. Mit andern Worten: Wissenschaft strebt intersubjektiv<br />
überprüfbare Aussagen über allgemeine empirische Gesetzmässigkeiten an<br />
(Wenn-dann-Sätze). Diese Wissenschaftstheorie setzt voraus, dass Wert- <strong>und</strong><br />
Tatsachenurteile begrifflich geschieden werden können <strong>und</strong> postuliert für Natur<strong>und</strong><br />
Sozialwissenschaften eine einheitliche Wissenschaftslogik. Im Verständnis von<br />
Karl R. Popper können Hypothesen nicht verifiziert, nur falsifiziert werden. 12 Forschung<br />
besteht darin, Hypothesen zu entwickeln <strong>und</strong> sie systematisch dem Risiko<br />
des Scheiterns auszusetzen. Jene Sätze, die solche wiederholten Tests bestanden<br />
haben, können vorläufig als gesichertes Wissen gelten.<br />
Nach neopositivistischem Verständnis ist Verfassungstechnologie insofern prinzipiell<br />
möglich, als gesichertes nomologisches Wissen über die gr<strong>und</strong>legenden<br />
institutionellen Variablen des Staates bereitgestellt werden könnte. Die Kenntnis<br />
dieser Variablen würde es gestatten, dem Politiker Empfehlungen abzugeben, wie<br />
diese Variablen auf bestimmte von der Politik vorgegebene Ziele hin<br />
9 Eckstein, op. cit., S. 102<br />
10 op. cit., S. 97<br />
11 Peter H. Merkl, Modern Comparative Politics, Holt, Rinehart & Winston, New York 1970.<br />
12 Karl R. Popper, Logik der Forschung, Tübingen, 3. Auflage 1969 (1. Auflage 1934), S. 14 ff.