Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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klassisches Einwanderungsland, der „Schmelztiegel der Nationen“, ein Zweiparteiensystem<br />
mit relativem Mehrheitswahlrecht besitzt.<br />
i) Systemänderungskosten<br />
Ziehen wir in unserer Evaluation Zwischenbilanz, so schneidet das bipolare Modell<br />
recht gut ab. Hinsichtlich der Zielwerte verspricht es bedeutsame Verbesserungen,<br />
<strong>und</strong> den in den Randbedingungen gesetzten Anforderungen vermag es durchaus<br />
gerecht zu werden; es bietet sogar die Aussicht, gewisse Randbedingungswerte<br />
besser zu verwirklichen, als es der Status quo vermag. – Ungeachtet der Qualitäten<br />
des Modells werden jedoch durch den blossen Übergang von der alten zur neuen<br />
Ordnung „Kosten“ entstehen, auf die eine sorgfältige Evaluation eingehen muss.<br />
(1) Eine Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung, welche relativ einschneidende Änderungen<br />
bringt, bedarf der eingehenden öffentlichen Debatte. Da unser Reformprogramm<br />
auf ein operationalisiertes Ziel ausgerichtet ist, würde die Debatte um das<br />
bipolare Modell hart <strong>und</strong> intensiv ausfallen; „denn die Explizierung politischer Zielsysteme<br />
durch Planung hat unvermeidlich eine Erhöhung des Konfliktniveaus im<br />
Gefolge“. 58 Damit das neue Institutionengefüge überhaupt eingeführt werden kann,<br />
ist die Bildung einer Reformkoalition notwendig, die einer Status-quo-Koalition gegenüberstehen<br />
würde. – Das Ausfechten eines wichtigen Verfassungskonflikts<br />
fesselt politische Energien, entzündet Leidenschaften, beeinträchtigt den normalen<br />
Gang der Regierungsgeschäfte <strong>und</strong> schafft zusätzlichen Stress für die ohnehin<br />
überlasteten Politiker. Es wäre allerdings falsch, wollte man in einem solchen Institutionenkonflikt<br />
nur negative Aspekte sehen. Er würde nicht nur politische Energien<br />
absorbieren, sondern auch neue freisetzen. Möglicherweise könnte die Verfassungsdebatte<br />
einer grösseren Zahl von Bürgern, die dem bisherigen Staat teilnahmslos<br />
gegenüberstehen, neues Interesse an der Politik vermitteln. Schliesslich<br />
könnte die Konfrontation der Argumente über die bipolare Verfassung neue Erkenntnisse<br />
über Verfassungspolitik an den Tag bringen.<br />
(2) Eine öffentliche Debatte über das bipolare Modell würde gewisse schwache<br />
Punkte des derzeitigen Regierungssystems, die man bisher unerwähnt liess oder<br />
nur sachte antönte, ins grelle Licht heben. Würde nun das Volk die Totalrevisionsvorlage<br />
verwerfen, so bliebe nicht einfach der Status quo ante weiterbestehen:<br />
Die Verfassungsdebatte hätte die Legitimität der jetzigen Ordnung verstärkt in Zweifel<br />
gezogen, <strong>und</strong> nach der negativen Volksabstimmung wäre mit einem gewachsenen<br />
Unbehagen über das Institutionengefüge zu rechnen. Neue Revisionsvorlagen<br />
<strong>und</strong> eine Perpetuierung der Verfassungsdiskussion wären die Folge.<br />
58 Frieder Naschold/Werner Väth, „<strong>Politische</strong> Planungssysteme im entwickelten Kapitalismus“, Naschold/Väth<br />
(Hrsg.), <strong>Politische</strong> Planungssysteme, Opladen 1973, S. 11.