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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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theoretischen Überlegungen vermag jedoch die Reformtauglichkeit der Kanzleraufwertung<br />

in Zweifel zu ziehen. 9<br />

(1) Ausdrücklich hob der Huber-Bericht hervor, dass ein Stabsorgan von der Leitung<br />

abhängig sein müsse. 10 Der B<strong>und</strong>espräsident <strong>und</strong> das Regierungskollegium<br />

verfügen jedoch über keine nennenswerten Mittel, um ihren „Stabschef“, den Kanzler,<br />

in Abhängigkeit zu halten. Im Gegenteil, bei der Kanzlei scheinen sämtliche<br />

Voraussetzungen erfüllt zu sein, dass sie sich vom Leitungsorgan unabhängig machen<br />

kann. Vorerst ist zu erwähnen, dass der Kanzler nicht etwa vom Leitungsorgan,<br />

sondern vom Parlament gewählt wird. Er kann sich also stets auf die gleiche<br />

Legitimierungsbasis wie die Regierung selbst berufen, nämlich die Parlamentswahl.<br />

Eine Vertrauenskrise zwischen Kanzler <strong>und</strong> Regierungsmitgliedern kann gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht behoben werden, da alle praktisch auf Lebenszeit gewählt sind. – Die<br />

Kanzlei weist des weitern eine monokratische Struktur auf, während die Regierung<br />

ein parteipolitisch sehr heterogen zusammengesetztes Kollegialorgan ist. Überdies<br />

besitzt das Regierungskollegium eine geringere personelle Stabilität als die Kanzlei;<br />

wegen Rücktritten findet alle paar Jahre im B<strong>und</strong>esrat ein Wechsel statt, der Kanzler<br />

dagegen kann im Extremfall jahrzehntelang im Amt verbleiben. – Der nach Anciennitätsregel<br />

jährlich wechselnde B<strong>und</strong>espräsident hat ohnehin keine Chance,<br />

den Kanzler in Abhängigkeit zu halten.<br />

(2) Betrachtet man den umfassenden Kompetenzkatalog der Kanzlei, ihre monokratische<br />

Struktur <strong>und</strong> ihre überlegene Stabilität, so könnte man argumentieren, dass<br />

das Kollegialitätsprinzip durch die Hongler-Reform de facto abgeschafft wurde: Ein<br />

entschlossener Kanzler vermag bei dieser Konstellation die eigentliche Regierungsfunktion<br />

an sich zu ziehen. Dieses Szenarium ist indessen höchst unrealistisch.<br />

Wenn man auch das Machtpotential der einzelnen B<strong>und</strong>esräte nicht sehr hoch<br />

veranschlagen darf, so verfügen diese doch über genügend Ressourcen, um sich<br />

einer „Bevorm<strong>und</strong>ung“ durch den Kanzler zu entziehen. Der Gr<strong>und</strong>reflex jedes<br />

B<strong>und</strong>esrates, seinen departementalen Besitzstand gegenüber den Regierungskollegen<br />

abzusichern, muss sich zwangsläufig auch gegenüber dem Kanzler auswirken.<br />

Das Resultat der Reform dürfte also ein „aufgewerteter“, aber isolierter Kanzler<br />

sein. – Zu bedenken wäre ein Szenarium, wonach die Hongler-Reform nur Episode<br />

bliebe <strong>und</strong> der Kanzler nach einer Übergangsperiode wieder auf seine frühere<br />

Kanzlistenstellung zurückgestuft würde. Auch diese Entwicklung scheint nicht<br />

wahrscheinlich zu sein. Dem Kanzler sollen neue Verwaltungsabteilungen unterstellt<br />

werden (Finanzkontrolle, Amt für Organisation). Zudem wird er in Kanzleiangelegenheiten<br />

vor dem Parlament selbst auftreten <strong>und</strong> in der Regierung Anträge<br />

einbringen können. Als Informationschef der Regierung hat er in der Öffentlichkeit<br />

erhöhte Visibilität erhalten. Diese Umstände dürften der „Aufwertung“ irreversiblen<br />

Charakter verleihen. Hinsichtlich Prestige erscheint der Kanzler –<br />

9 Zur Kanzleireform siehe auch: Germann, B<strong>und</strong>esverwaltung (op. cit.), S. 65 f., 71 ff., 89 ff.; sowie<br />

derselbe, „‘Richtlinien der Regierungspolitik’ – Fragen zu einer neuen Institution“, Verwaltungs-Praxis,<br />

März 1973, S. 71–76; derselbe, „Steckt unsere Regierung in einer Krise“, Tages-Anzeiger, 7.9.74, S.<br />

47 f.<br />

10 Huber-Bericht, S. 29.

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