11.01.2015 Aufrufe

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

144<br />

Ziel oder Zielsystem stufenweise einer Präzisierung zugeführt werden, indem es mit<br />

Lösungsmöglichkeiten konfrontiert wird; „erst mit der prinzipiell absehbaren Lösung<br />

ist das Ziel des Projekts endgültig definiert“ (Habermas).<br />

Als ersten Schritt bei der Zielklärung in einem Totalrevisionsunternehmen schlagen<br />

wir vor, ein vorläufiges „Reformfeld“ (oder in anderer Terminologie: einen „Entscheidungsbereich“,<br />

eine „decision area“ 1 ) auszuscheiden, das jene Institutionen<br />

umfasst, welche gr<strong>und</strong>sätzlich der In-Frage-Stellung ausgesetzt werden sollen. Es<br />

steht „Randbedingungen“ gegenüber, welche bei der Zielverwirklichung zu berücksichtigen<br />

sind.<br />

Tabelle 11 zeigt eine solche Ausscheidung. Als Reformfeld wird ein Bereich vorgeschlagen,<br />

der sich ungefähr deckt mit dem, was wir im ersten Teil als „Regierungssystem“<br />

bezeichneten. Regierung, Parlament, Referendum, Initiative, Wahlrecht,<br />

Parteien, Interessengruppen, Kompetenzausscheidung zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen<br />

befinden sich – stichwortartig aufgezählt – im „Feld“, das Gegenstand der Reformdiskussion<br />

sein soll.<br />

Unter den „Randbedingungen“ figuriert vorerst eine Liste von vage umschriebenen<br />

Werten. Sie besagen, dass gr<strong>und</strong>legende Errungenschaften des schweizerischen<br />

Staates durch die Totalrevision nicht beeinträchtigt werden dürfen. Dazu gehören<br />

die demokratisch-freiheitliche Gr<strong>und</strong>ordnung, Rechtsstaatlichkeit, Wohlfahrt, politische<br />

Stabilität, gewaltlose Konfliktregelung <strong>und</strong> ähnliches. Der Katalog wird später<br />

die Gesichtspunkte für die Bewertung des in den Konturen bereits sichtbaren Verfassungsmodells<br />

liefern <strong>und</strong> so zur zusätzlichen Präzisierung des Modells beitragen.<br />

Als Randbedingungen erscheinen des weiteren alle jene Institutionen <strong>und</strong> Normenkomplexe,<br />

die zur „Reduktion von Komplexität“, zur „strategischen Vereinfachung“<br />

aus dem Reformfeld ausgeschieden wurden.<br />

Ein Reformfeld auszuscheiden, ist nicht gänzlich ohne Willkür möglich. Immerhin<br />

lassen sich für unsern Vorschlag folgende Gründe anführen: Das Feld erscheint als<br />

weit genug, um Raum für „relativ umfassende operationalisierbare Reformziele“ 1a<br />

zu lassen, welche einer Totalrevision demokratische Legitimität zu verleihen vermögen.<br />

Auch die Anforderung, einen praktisch noch überschaubaren Reformbereich<br />

auszuscheiden, dürfte erfüllt sein. – Bei den Normenkomplexen, die zur Vereinfachung<br />

der Debatte den Status von Randbedingungen erhalten, handelt es sich fast<br />

durchwegs um solche, die der „staatsrechtlichen Detailpflege“ besonders zugänglich<br />

sind. Senkung des Stimmrechtsalters um zwei Jahre, Modifikation der Gerichtsorganisation,<br />

Steuervereinheitlichung, Entkriminalisierung der Dienstverweigerung<br />

aus Gewissensgründen <strong>und</strong> ähnliches sind Probleme, die ohne Schaden<br />

isoliert betrachtet werden können. Für Reformen dieses Typs wird meist nicht gleich<br />

eine totale Verfassungsrevision vorgeschlagen, <strong>und</strong> es dürften sich wahrscheinlich<br />

keine Fälle nachweisen lassen, wo wegen solcher Probleme eine Staatsverfassung<br />

durch eine neue ersetzt wurde. – Anderseits darf bei den Institutionen, die ins Reformfeld<br />

einbezogen wurden, eine sehr hohe Interdependenz vermutet werden.<br />

Neueste Untersuchungen haben bestätigt, dass die Ausgestaltung von semidirekter<br />

Demokratie, Regierung <strong>und</strong> Parlament sowie die Aktionsweisen von Parteien <strong>und</strong><br />

1 Zum Problem siehe: Fritz W. Scharpf, Planung als politischer Prozess. Aufsätze zur Theorie der planenden<br />

Demokratie, Frankfurt/M 1973, S. 101 ff., mit Literaturangaben.<br />

1a Siehe oben S. 21 ff.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!