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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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Schweizerische B<strong>und</strong>esräte werden auf eine feste Amtszeit von vier Jahren gewählt.<br />

Überdies hat sich die Usanz herausgebildet, dass ein B<strong>und</strong>esrat, der sich zur<br />

Wiederwahl stellt, in seinem Amt bestätigt wird. 8 Zwar mag es B<strong>und</strong>esräte gegeben<br />

haben, die aus Furcht vor einer möglichen Nichtwiederwahl auf eine erneute Kandidatur<br />

verzichteten oder die von der eigenen Partei zum „freiwilligen“ Rücktritt angehalten<br />

wurden. 9 Das Gr<strong>und</strong>muster jedoch für die Bestellung schweizerischer<br />

Regierungsmitglieder gleicht jenem, das nach kontinentaleuropäischer Tradition bei<br />

„nichtpolitischen“ Staatsbeamten zur Anwendung kommt.<br />

Im faktischen Unvermögen des Parlaments, Regierungsmitglieder gegebenenfalls<br />

wieder abzuwählen, könnte man einen eigenständigen Faktor sehen, der Konkordanzpolitik<br />

befördert: Die Legitimität einer nichtabsetzbaren Regierung lässt sich<br />

auf die Dauer nur dadurch erhalten, indem möglichst allen politisch relevanten Kräften<br />

Einsitz in ihr gewährt wird. Man kann auch umgekehrt argumentieren <strong>und</strong> in der<br />

Unabsetzbarkeit der B<strong>und</strong>esräte nur einen Ausfluss der bereits erwähnten Konkordanzzwänge<br />

sehen. Die Frage braucht indessen nicht geklärt zu werden. Wesentlich<br />

ist, dass Minister nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch abberufbar sein<br />

müssen, wenn eine reale Chance für Machtwechsel gegeben sein soll. Damit ist<br />

indessen nicht impliziert, dass jederzeit ein Regierungssturz möglich sein muss, wie<br />

dies der klassische Parlamentarismus mit der Einrichtung des Misstrauensvotums<br />

vorsieht. Es lässt sich vorstellen, dass die Abberufung einer Regierung während der<br />

Legislaturperiode erschwert (wie in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland) oder überhaupt<br />

verunmöglicht ist.<br />

Die derzeitige Verfassung lässt es durchaus zu, dass nach Nationalratswahlen bei<br />

gewandelten Kräfteverhältnissen oder Koalitionen im Parlament eine Regierung<br />

ohne Berücksichtigung bisheriger Amtsinhaber gewählt wird. Es stellt sich jedoch<br />

die Frage, ob mit Verfassungsrecht gegen die Usanz etwas unternommen werden<br />

kann, welche einem kandidierenden bisherigen B<strong>und</strong>esrat praktisch ein wohlerworbenes<br />

Recht auf Wiederwahl einräumt. Die Aufwertung der Volksvertretung durch<br />

Professionalisierung, Parlamentsreferendum <strong>und</strong> Zurückstellung des Ständerates<br />

dürfte nach unserer Meinung der erwähnten Usanz bereits kräftig entgegenwirken.<br />

Die Stärkung von Machtfülle <strong>und</strong> Prestige des Nationalrates könnte durchaus erreichen,<br />

dass dieser an Selbstbewusstsein gewinnt, sich als wirkliches Kreationsorgan<br />

der Regierung versteht, sich also nicht darauf beschränkt, nur die zufällig <strong>und</strong> isoliert<br />

auftretenden Vakanzen im Regierungskollegium zu beheben. – Die Massnahmen<br />

schliesslich, die im nächsten Abschnitt vorgeschlagen werden (Richtlinienkompetenz<br />

des B<strong>und</strong>espräsidenten, exklusives Recht des B<strong>und</strong>espräsidenten,<br />

B<strong>und</strong>esräte zur Ernennung oder Entlassung vorzuschlagen, Wahlrechtsreform)<br />

sollen die Beibehaltung der Usanz gänzlich verunmöglichen.<br />

Für die Zielverwirklichung ist ein Abgehen von der festen vierjährigen Amtszeit der<br />

Regierung nicht erforderlich. Die Randbedingung, welche eine hohe politische Stabilität<br />

postuliert, macht die feste Amtszeit sogar wünschenswert. – Erwägen könnte<br />

man natürlich Einrichtungen wie das „konstruktive Miss-<br />

8 Siehe oben S. 146.<br />

9 Steiner, Gewaltlose Politik (op. cit.), S. 48.

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