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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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prompter <strong>und</strong> angemessener wird reagieren können als das schwerfällige alte. Als<br />

Kleinstaat ist die Schweiz darauf angewiesen, das geringe internationale Machtgewicht<br />

durch erhöhte Beweglichkeit wenigstens teilweise zu kompensieren.<br />

(2) Sollte die Vollmitgliedschaft der Schweiz bei der EWG sich eines Tages als<br />

vorteilhaft oder gar als unumgänglich erweisen, so könnte das neue System diesen<br />

Schritt leichter vollziehen. Die Integrationsdiskussion wäre vom Argument entlastet,<br />

dass die Schweiz wegen ihrer direktdemokratischen Institutionen der Europäischen<br />

Gemeinschaft nicht beitreten könne oder eines Sonderstatus’ bedürfe, der wahrscheinlich<br />

nicht leicht auszuhandeln wäre. 56 – In einem Zeitalter des engeren Zusammenrückens<br />

der europäischen Länder ist es für die kleine Schweiz nicht unbedingt<br />

vorteilhaft, wenn sie dauernd um Verständnis für ihren „Sonderfall“-Charakter<br />

werben muss. Mit der bipolaren Reform wird aber gerade eine gewisse Angleichung<br />

an die übrigen westeuropäischen Staaten erreicht.<br />

(3) Auch nach Einführung des Frauenstimmrechts verweigert die Schweiz einem<br />

erheblichen Teil der mündigen Bevölkerung die politischen Rechte. Die Zahl der<br />

Ausländer, die assimiliert sind <strong>und</strong> schon lange in der Schweiz wohnen, ist erheblich.<br />

57 Doch besitzen diese Einwohner keine genügende Chance, innert nützlicher<br />

Frist naturalisiert <strong>und</strong> damit der Bürgerrechte teilhaftig zu werden. – Das Prohlem<br />

ist vorwiegend innenpolitischer Natur, doch besitzt es auch aussenpolitische Aspekte.<br />

Es ist durchaus geeignet, Schwierigkeiten mit Italien zu schaffen <strong>und</strong> dadurch<br />

das Verhältnis zur EWG zu komplizieren. Vom derzeitigen Regierungssystem ist zu<br />

erwarten, dass es über die Referendumsmechanismen das Problem der assimilierten<br />

Ausländer unnötig emotionalisiert <strong>und</strong> die Lösung – ähnlich wie beim Frauenstimmrecht<br />

– sehr lange hinauszögert.<br />

(4) Das bipolare System erleichtert die Assimilierung von Ausländern, da es einfacher,<br />

übersichtlicher <strong>und</strong> leichter verständlich ist. Gerade gegenüber Neubürgern<br />

besitzt es grössere Integrationskraft als das gegenwärtige Regime. Eine massive<br />

Naturalisierungspolitik im jetzigen System könnte sehr unerfreuliche Folgen haben.<br />

So darf man nicht ohne weiteres annehmen, dass die Neubürger im Durchschnitt<br />

ähnliche Parteipräferenzen aufweisen würden wie die Altbürger. Das jetzige Wahlrecht<br />

behindert die Entstehung neuer Parteien oder das Anwachsen von Kleinparteien<br />

(etwa der kommunistischen) nicht. Eine erhebliche Verschiebung der Parteipräferenzen<br />

in der Bevölkerung zuungunsten der drei „traditionellen“ Parteien aber<br />

stellt das fragile Konkordanzsystem in Frage. – Bei der Beurteilung des bipolaren<br />

Systems unter dem Gesichtspunkt der Ausländerassimilierung darf man nicht vergessen,<br />

dass die USA, früher ein<br />

56 1970 waren 17 Prozent der Wohnbevölkerung in der Schweiz Ausländer. Davon gehörten etwas mehr<br />

als die Hälfte der Altersgruppe der 15- bis 39jährigen an /NZZ, Nr. 107, 3.3.72, S. 191.<br />

57 Zum Argument einer „Demokratieeinbusse“ der Schweiz bei einem eventuellen EWG-Beitritt siehe:<br />

Riklin, op. cit., S. 174–177; Christian Dominice, „Intégration européenne et structures constitutionnelles<br />

suisses, in: Zeitfragen, Nr. 99, 1971, S. 3–24.

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