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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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Gesellschaft, mit der wachsenden Komplexität der anstehenden Probleme nicht<br />

mehr gleichzuziehen. Die Probleme entgleiten seiner Kontrolle. Im folgenden sei<br />

auf zwei Dimensionen dieses Sachverhaltes hingewiesen.<br />

(1) Schwindender Handlungsspielraum der obersten verfassungsmässigen<br />

Machtträger<br />

Dass das nichtprofessionalisierte eidgenössische Parlament nur einen geringen<br />

eigenständigen Einfluss auf das politische Geschehen des Landes auszuüben<br />

vermag, dass es hauptsächlich als formelle Ratifikationsinstanz für bereits gefällte<br />

Entscheidungen funktioniert, ist heute kaum umstritten <strong>und</strong> soll hier nicht weiter<br />

erörtert werden. Meist wird unterstellt, dass die Exekutive (Regierung <strong>und</strong> Verwaltung)<br />

in dem Masse eine Machtvermehrung erfuhr, wie das Parlament an Einfluss<br />

verlor. Diese einfache Nullsummen-Theorie (was der eine verliert, gewinnt der andere)<br />

dürfte kaum richtig sein. Schon Christopher Hughes stellte fest, dass der<br />

schweizerische B<strong>und</strong>esrat keineswegs eine machtvolle Instanz sei, obwohl er faktisch<br />

weder vom Vertrauen des Parlaments noch von jenem der Wählerschaft abhängig<br />

ist. Im Gegenteil, das Fehlen der Verantwortlichkeit gegenüber Wählern <strong>und</strong><br />

Volksvertretung entmachte die Regierung. Der B<strong>und</strong>esrat unterliege der Logik eines<br />

konstitutionellen Monarchen: The King can do no wrong, ergo he can do nothing. 37<br />

Diese paradox erscheinende Theorie vermag durchaus Plausibilität für sich in Anspruch<br />

zu nehmen: Eine schweizerische Regierung kann sich gegenüber Interessengruppen<br />

<strong>und</strong> nachgeordneter Bürokratie nie auf ein durch Wahlen <strong>und</strong> Parlament<br />

legitimiertes Programm berufen. B<strong>und</strong>esräte sind – in der Ausdrucksweise<br />

von Max Imboden – in die Rolle abgedrängt, als „Interpreten der Anliegen ihrer<br />

Verwaltungen“ zu fungieren. 38 Die geringe Lenkungskapazität der Exekutivspitze<br />

gegenüber der nachgeordneten Verwaltung erleichtert es Interessengruppen, Einfluss<br />

auf den ohnehin stark zersplitterten Verwaltungsapparat zu nehmen, ja, Verwaltungsabteilungen<br />

geradezu zu „kolonisieren“. Dem schweizerischen B<strong>und</strong>esrat<br />

ist es weitgehend verunmöglicht, für eigene Vorstösse eine demokratische Legitimierung<br />

einzuholen. Die Interessengruppen dagegen, besonders jene, die sich in<br />

einer bestimmten Sachfrage für die Beibehaltung des Status quo einsetzen, können<br />

stets damit drohen, ihren Standpunkt in einer Referendumsabstimmung demokratisch<br />

legitimieren zu lassen.<br />

Die These, wonach die Einflusschancen von Parlament <strong>und</strong> Regierung dem gleichen<br />

Erosionsprozess ausgesetzt sind, findet sich in zwei wichtigen offiziellen Dokumenten<br />

ausdrücklich bestätigt. Am 12. Februar 1966 stellte die Geschäftsprüfungskommission<br />

des Ständerates hinsichtlich der vorparlamentarischen Vernehmlassungsverfahren<br />

folgendes fest:<br />

„Eine ähnliche, wenn auch weniger manifeste Situation wie das Parlament trifft<br />

auch häufig der B<strong>und</strong>esrat an; er kommt in der Praxis oft erst am Schlusse des<br />

Vorverfahrens zur materiellen Behandlung des Geschäfts <strong>und</strong> findet dann die<br />

Vorbereitungen so weit fortgeführt vor, dass er nur mit Bedenken von Vorschlägen<br />

abweicht.“ 39<br />

37 Christopher Hughes, The Parliament of Switzerland, London 1962, S. 128.<br />

38 Imboden, Malaise (op. cit.), S. 27.<br />

39 Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates an den Ständerat über den Ausbau der<br />

Verwaltungskontrolle, 12.2.1966, S. 8.

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