Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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als Staatsbürger zu urteilen. Der Fragenkatalog berührt uns nun in manchen<br />
Punkten sehr direkt, so z. B. im Zusammenhang mit den Aktivbürgerrechten, der<br />
direkten Demokratie, des Verhältnisses von Staat <strong>und</strong> Wirtschaft, der Finanzverfassung<br />
<strong>und</strong> des Verhältnisses von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen. Selbstverständlich interessieren<br />
uns auch die Fragestellungen betreffend die B<strong>und</strong>esbehörden.<br />
Wir haben deshalb im Sinne, uns mit den einzelnen Aspekten einer Totalrevision<br />
der B<strong>und</strong>esverfassung eingehend zu befassen. Dabei möchten wir –<br />
gemäss unserer Gepflogenheit – eine Willensbildung von unten nach oben herbeiführen<br />
<strong>und</strong> die interessierten Sektionen, vorab die regionalen <strong>und</strong> kantonalen<br />
Handelskammern, zur Mitarbeit heranziehen. Wir möchten Sie deshalb ersuchen,<br />
uns ebenfalls an der Enquete teilnehmen zu lassen <strong>und</strong> bitten die Arbeitsgruppe<br />
oder das Eidg. Justiz- <strong>und</strong> Polizeidepartement um die Zustellung<br />
der erforderlichen Unterlagen (40 Exemplare deutsch <strong>und</strong> 20 Exemplare französisch).“<br />
F. T. Wahlen antwortete am 15. Dezember 1967 mit einem umfangreichen, 73<br />
Zeilen umfassenden Brief <strong>und</strong> legte die Gründe für das Vorgehen der Kommission<br />
dar. Da das Revisionsunternehmen sich nicht mit einer wohldefinierten Einzelfrage<br />
befasse, sei es sehr schwierig, den Kreis der interessierten Verbände abzugrenzen.<br />
Bei Einbeziehung der Interessenorganisationen würde „zumindest der Anschein<br />
erweckt“, das sogenannte Vernehmlassungsverfahren werde vorweggenommen.<br />
Dieses müsse aber in systematischer Weise in einer späteren Phase des Verfahrens<br />
eingeleitet werden <strong>und</strong> sei „in der Regel Sache des B<strong>und</strong>esrates oder des von<br />
ihm beauftragten Departementes“. Das Schreiben schloss mit der Bemerkung:<br />
„Wir müssen es Ihnen überlassen, ob Sie sich unter diesen Voraussetzungen an<br />
der Beantwortung – oder Teilbeantwortung – des Fragenkataloges zu beteiligen<br />
wünschen. Mit separater Post gehen Ihnen die 40 deutschen <strong>und</strong> 20 französischen<br />
Texte des Fragenkataloges zu. Ob <strong>und</strong> inwieweit uns Ihre Initiative dazu<br />
verpflichtet, auch die übrigen Spitzenorganisationen mit dem Fragenkatalog zu<br />
bedienen, wird zur Zeit geprüft.“<br />
Am 18. Dezember 1967 erging ein beinahe gleichlautendes Schreiben an weitere<br />
acht Spitzenverbände, nämlich den Zentralverband Schweiz. Arbeitgeber-<br />
Organisationen, den Gewerbeverband, den Bauernverband, den Gewerkschaftsb<strong>und</strong>,<br />
die Vereinigung Schweiz. Angestelltenverbände, den Christlichnationalen<br />
Gewerkschaftsb<strong>und</strong>, den Schweiz. Verband evangelischer Arbeiter <strong>und</strong> Angestellter<br />
sowie den Landesverband freier Schweizer Arbeiter.<br />
Die Wahlen-Kommission reagierte auf das vom Vorort provozierte Dilemma mit der<br />
salomonischen Geste, den „offiziellen“ Einladungen an die Kantone, Parteien <strong>und</strong><br />
Universitäten noch neun „halboffizielle“ Einladungen an Wirtschaftsverbände anzufügen.<br />
Der nur semantische Unterschied verlor sich in der Folge gänzlich; denn die<br />
Antworten der Wirtschaftsverbände wurden in genau gleicher Weise publiziert wie<br />
die „offiziellen“ Eingaben. 12 Der Vorort konnte seinen Anspruch auf Beteiligung an<br />
der Anfangsphase des Revisionsunternehmens voll durchsetzen.<br />
12 Der Vorort publizierte überdies seine Stellungnahme auszugsweise in den „Schweizer Monatsheften“:<br />
Gerhard Winterberger, „Zur Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung“, Schweizer Monatshefte, 49. Jg.<br />
(1969/70), S. 627–641.