Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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216<br />
listischen Ständerats schickte sich die Schweiz erst im Jahre 1973 an, gezielte<br />
Massnahmen zur Förderung wirtschaftlich benachteiligter Gebiete ernsthaft in Angriff<br />
zu nehmen. 46 Praktisch alle Länder Westeuropas, auch die sogenannten Einheitsstaaten,<br />
besitzen solche Programme schon seit Jahren oder Jahrzehnten. 47 –<br />
In seiner Kritik am Ständerat bezweifelt Neidhart, ob diese Kammer bisher wirklich<br />
in signifikanter Weise föderalistische Interessen vertreten habe. 48 Die personelle<br />
<strong>und</strong> parteipolitische Zusammensetzung Interessen Kleinen Kammer legt vielmehr<br />
die Vermutung nahe, dass sie vornehmlich jenen Interessen nahesteht, die in den<br />
vorparlamentarischen Bargaining-Prozessen ohnehin überstark vertreten sind. –<br />
Verschiedene Aspekte des schweizerischen Föderalismus, etwa des Steuern-<br />
Förderalismus, können generell zur These verleiten, dass die Mechanismen so<br />
angelegt sind, die Privilegierten zusätzlich zu privilegieren.<br />
Futurologen sagen voraus, dass sich die Politik der postindustriellen Aera vorwiegend<br />
mit Verteilungsproblemen werde befassen müssen. Das dürfte auch im<br />
Hinblick auf den Föderalismus zutreffen: Die Frage des interregionalen Ausgleichs<br />
wird in der Schweiz mit hoher Wahrscheinlichkeit an Virulenz gewinnen. Wir halten<br />
dafür, dass der gestärkte Zentralstaat des bipolaren Modells in dieser Hinsicht mindestens<br />
so gut oder gar besser arbeiten würde als das diffuse Machtgefüge der<br />
derzeitigen B<strong>und</strong>esregierung. Damit ist eine paradox erscheinende Theorie impliziert:<br />
Für eine wirksame, nicht nur formalrechtliche, sondern auch sozio-ökonomische<br />
Dezentralisierung ist eine starke Zentralgewalt notwendig, welche Ressourcen<br />
so verteilen kann, dass dezentralisierte Einheiten das nötige Substrat für eine gewisse<br />
Autonomie erhalten. In der Tat erweckt es gelegentlich den Anschein, als<br />
seien sogenannte Einheitsstaaten zu wirksamer Dezentralisation eher in der Lage<br />
als Föderationen, die mit den starren überkommenen Grenzen ihrer nachgeordneten<br />
Gemeinwesen konfrontiert sind. Die Niederlande <strong>und</strong> Schweden besassen<br />
ursprünglich ähnlich viele Gemeinden wie die Schweiz, konnten die Zahl jedoch auf<br />
900 reduzieren <strong>und</strong> wollen sie noch weiter verringern. 49 Es wäre zu untersuchen, ob<br />
schweizerische Gemeinden im Durchschnitt wirklich autonomer sind als niederländische<br />
oder schwedische; die nach funktionaleren Kriterien abgegrenzt werden<br />
konnten.<br />
e) Sprachliche Minderheiten<br />
Das harmonische Zusammenleben verschiedener Sprachgruppen im gleichen<br />
Staatswesen ist eine Errungenschaft der schweizerischen Politik, die durch eine<br />
<strong>Verfassungsreform</strong> nicht gefährdet werden darf. Die Vorstellung allerdings, dass<br />
nur das gegenwärtige Institutionengefüge den Sprachfrieden in der Schweiz sicherstellen<br />
könne, muss zurückgewiesen werden. Zahlreiche westliche<br />
46 Botschaft des B<strong>und</strong>esrates an die B<strong>und</strong>esversammlung über Investitionshilfe für Berggebiete, vom 16.<br />
Mai 1973.<br />
47 Aménagement du territoire: Les aides à l’expansion industrielle régionale dans les pays du Marché<br />
Commun et en Grande-Bretagne, Notes et Etudes Documentaires, La documentation francaise, Paris,<br />
6.10.1969.<br />
48 Neidhart, Reform (op. cit.), S. 85.<br />
49 Gorden L. Weil, The Benelux Nations. The Politics of Small-Country Democracies, Holt, Rinehart,<br />
Winston, New York 1970, S. 69 ff.; Hancock, op. cit., S. 91.