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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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118<br />

d) Apathie als Voraussetzung <strong>und</strong> Konsequenz des Wahlen-Unternehmens<br />

In der politischen Rhetorik wird zwar die Apathie des Bürgers, seine Interesselosigkeit<br />

am politischen Geschehen als Degeneration der Demokratie beklagt. Seit<br />

geraumer Zeit bemühen sich jedoch prominente Politologen, die BürgerApathie zu<br />

rehabilitieren <strong>und</strong> sie als wichtige Voraussetzung für „demokratische Stabilität“ zu<br />

preisen. Henry S. Kariel hat diese „realistischen“ Theoretiker „demokratische Revisionisten“<br />

genannt. 18 Auch in der Schweiz sind Revisionismus-Ansätze nicht unbekannt.<br />

In seiner Eingabe an die Wahlen-Kommission führte Raymond Broger für<br />

den Kanton Appenzell-Innerrhoden aus, dass „gelegentlich nichts verdächtiger als<br />

eine hohe Stimmbeteiligung“ sei. 19<br />

Die Wahlen-Kommission fühlte sich ebenfalls einem „realistischen“ Demokratieverständnis<br />

verpflichtet. Offiziell empfahl sie zwar die Beschäftigung mit Verfassungsfragen<br />

als Heilmittel gegen Staatsverdrossenheit <strong>und</strong> politische Interesselosigkeit.<br />

20 Faktisch empfand sie es jedoch als komfortabel, im beinahe vollständigen<br />

Windschatten öffentlicher Auseinandersetzung arbeiten zu können. Das Kommissionsmitglied<br />

O. K. Kaufmann führte aus:<br />

„Die angefragten Gruppierungen haben mit viel Eifer nach Lösungen gesucht,<br />

<strong>und</strong> alle Personen, die in einer Vernehmlassungsgruppe mitgearbeitet haben,<br />

bleiben am weiteren Gang der Vorarbeiten für die Totalrevision interessiert.<br />

Doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass 99 Prozent des Volkes an<br />

anderen Problemen mehr interessiert sind als an einer Totalrevision der BV. Die<br />

breiten Kreise verfolgen diese Arbeiten sehr von ferne, doch hat dies auch seine<br />

Vorteile: Die Auswertung der Vernehmlassungen durch die Arbeitsgruppe kann<br />

in einem ruhigen Arbeitsklima erfolgen.“ 21<br />

Das „ruhige Arbeitsklima“, oder mit andern Worten, die Gleichgültigkeit des Publikums<br />

hat die auf Zementierung des Status quo ausgerichtete Tätigkeit der Wahlen-<br />

Kommission zweifellos erleichtert <strong>und</strong> überhaupt erst möglich gemacht. – Dass die<br />

Wahlen-Kommission sich ein „ruhiges Arbeitsklima“ zu erhalten versuchte, braucht<br />

nicht besonders hervorgehoben zu werden. Sie beschränkte die Öffentlichkeitsarbeit<br />

auf ein Minimum <strong>und</strong> bemühte sich dabei, ihren apolitischen Charakter zu unterstreichen.<br />

Im November 1967 übergab die Kommission an einer Pressekonferenz<br />

den Fragenkatalog der Öffentlichkeit. Im Juni 1972 erschien in der Presse ein<br />

Agenturbericht über den „Stand der Vorbereitung einer Verfassungsrevision“, der<br />

zweifellos von der Wahlen-Kommission veranlasst wurde. 22 Die Meldung enthielt<br />

nur Angaben über Termine, an denen die Arbeitsergebnisse der Kommission veröffentlicht<br />

werden sollten sowie Informationen über das Ausmass der von den Kommissionsmitgliedern<br />

geleisteten immensen Arbeit. Der Bericht versicherte auch,<br />

dass das aufgr<strong>und</strong> der Umfrage eingegangene Material „sorgfältig gesichtet <strong>und</strong><br />

ausgewertet“ worden sei. Angaben zur Sache, zum Totalrevisionsthema also, fehlten<br />

dagegen gänzlich.<br />

18 Henry S. Kariel (Hrsg.), Frontiers of Democratic Theory, Random House, New York 1970, S. VI I.<br />

19 AI 61.<br />

20 Siehe oben S. 42, Note 25.<br />

21 Kaufmann, op. cit., S. 122.<br />

22 NZZ, 10. 6. 1972, Nr. 266, S. 13.

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