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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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befördern. Erwähnt wurde bereits die durch Artikel 3 der B<strong>und</strong>esverfassung bedingte<br />

Zweistufigkeit mancher Gesetzgebungsverfahren, wobei es meist die Funktion<br />

der ersten Stufe ist, die Zahl der Lösungsvarianten in der zweiten einzuschränken.<br />

Erwähnt wurde auch, dass die Dissoziation von Gesetzgebung <strong>und</strong> Gesetzesvollzug<br />

im „Vollzugsföderalismus“ die Vollzugschancen in bestimmten Bereichen verschlechtert<br />

<strong>und</strong> deshalb zu einer Einschränkung der Optionen führt. Hinzu kommt<br />

der integrale Bikameralismus <strong>und</strong> das Ständemehr nach Artikel 123 der B<strong>und</strong>esverfassung.<br />

Am Erfordernis, dass nicht nur die Mehrheit der Stimmenden, sondern<br />

auch die Mehrheit der Kantone einer Partialrevision der Verfassung zustimmen<br />

muss, scheiterte am 4. März 1973 die Einfügung von Bildungsartikeln in die B<strong>und</strong>esverfassung.<br />

Auch Parteien <strong>und</strong> Parlament sind nicht so strukturiert, dass sie eigenständig Neuerungsvorschläge<br />

entwerfen <strong>und</strong> durchsetzen könnten. Sie weisen – um die Ausdrucksweise<br />

von Samuel Huntington zu gebrauchen – einen geringen Grad von<br />

„Institutionalisierung“ auf, weil es ihnen an „Autonomie“ fehlt.<br />

„Political institutionalization, in the sense of autonomy, means the development<br />

of political organizations and procedures that are not simply expressions of the<br />

interests of particular social groups. A political organization that is the instrument<br />

of social group – family, clan, class – lacks autonomy and institutionalization. If<br />

the state, in the traditional Marxist claim, is really the „executive committee of<br />

the bourgeoisie,“ then it is not much of an institution ... A political party, for instance,<br />

that expresses the interests of only one group in society – whether labor,<br />

business, or farmers – is less autonomous than one that articulates and aggregates<br />

the interests of several social groups. The latter type of party has a<br />

clearly defined existence apart from particular social forces. So also with legislatures,<br />

executives, and bureaucracies.“ 13<br />

Vielleicht mit Ausnahme der Sozialdemokraten haben die grösseren politischen<br />

Parteien die Verlagerung der politischen Gewichte von der Kantons- auf die B<strong>und</strong>esebene<br />

nicht nachvollzogen; Landesparteien sind „nichts anderes als grosse<br />

Dachorganisationen der kantonalen Parteien, gewissermassen Tagsatzungen, an<br />

denen die nationale Einheit stets neu zu erringen ist“. 14 Erst in jüngster Zeit hat<br />

etwa die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) mit ernsthaften Zentralisierungsbestrebungen<br />

begonnen. – Das Wahlsystem fördert nicht nur den Kantonalismus<br />

der Parteien, sondern auch deren Zersplitterung. Es konservierte konfessionelle<br />

Streitpunkte <strong>und</strong> behinderte damit die Austragung sozioökonomischer Konflikte.<br />

15 – Die Zersplitterung <strong>und</strong> geringe Institutionalisierung der Parteien auf B<strong>und</strong>esebene<br />

erleichtert den zentralisierten <strong>und</strong> straff organisierten Spitzenverbänden der<br />

Wirtschaft die Einflussnahme auf den Staatsapparat. Die Einrichtung des Kumulierens<br />

<strong>und</strong> Panaschierens bei den Nationalratswahlen gewährt finanzkräftigen aussenstehenden<br />

Organisationen eine erhöhte Chance, ihre Vertreter auf der betreffenden<br />

Parteiliste vorrangig<br />

13 Huntington, op. cit., S. 20.<br />

14 Gruner, Parteien (op. cit.), S. 29.<br />

15 Erst am 20. Mai 1973 gelang es, die sogenannten konfessionellen Ausnahmeartikel betreffend Jesuiten<br />

<strong>und</strong> Klöster aus der Verfassung zu beseitigen. – Für die katholische CVP waren die Ausnahmeartikel<br />

ein wesentliches Element der Kohäsion <strong>und</strong> dienten als Beweis für die Existenzberechtigung dieser<br />

Partei.

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