Pocken118

109
Leser, erinnern Sie sich? Nach dem Treffen von Mézieres wurde Sedan
1642 französisches Staatsgebiet. König Ludwig XIII . schrieb unter dem
Datum vom 10.2.1643 und befahl dem neuen Gouverneur Abraham de
Fabert den alten, katholischen Status wieder herzustellen, der vor 1556
bestanden hatte. Fabert gehorchte und ermöglichte am 23.2.1643 durch
sein berühmtes Dekret den Katholiken wieder die freie Religionsausübung.
Dies war ganz im Sinne der katholischen Gattin des Duc de Bouillon
(Eleonore von Bergh). Allerdings tastete er angesichts der protestantischen
Bevölkerungsmehrheit (von 4.000 zu 2000 Katholiken) die Rechte der
Calvinisten noch nicht an. Das anfänglichen Nebeneinander und die
gegenseitige Duldung kippten sehr schnell in 1644.
• Durch die Wiedereinsetzung des katholischen Kultus war es den
Calvinisten verboten, an den hohen katholischen Feiertagen ihren
Geschäften nachzugehen. Einige wenige Reformierte protestierten. Sie
argumentierten, der Müßiggang an Fronleichnam würde Laster wie
Faulheit, Ausschweifung, Unordnung nach sich ziehen. Entgegen des
Dekrets öffneten einige Oppositionelle am Tag des Heiligen Peters am
29.6.1643 ihre Geschäfte, was zu heftigen Debatten & zu Bestrafungen
führte.
• Das Jahr war 1644 durch weitere verschiedene Vorschriften
gekennzeichnet. Sinnvoll war, dass die Sedaner Beamtenanwärter auf den
franz. König den Treueid ablegen mussten. Der Erzbischof von Reims
kam danach kurz vor Fronleichnam nach Sedan. Aufgrund der gehässigen
Verabredung zwischen Fabert und dem Kirchenoberhaupt beschlossen
sie, die Führer der Calvinisten zu erniedrigen. Fabert befahl, dass die
Presbyter und Diakone, aber vor allem der evangelische Pfarrer am
Fronleichnamstag, den Baldachin tragen mussten, unter dem der hämisch
grinsende katholische Priester überheblich dahin schritt.
• Fabert verbot im gleichen Jahr 1644, dass evangelischen Soldaten nicht
mehr in die Garnison Sedan aufgenommen werden durften.
• Ein besonders schlimmes Kapitel des religiösen Terrors geschah 1652.
Fabert ließ auf Veranlassung des Louis de Marval die Schule der
Verbreitung des Glaubens einrichten. Dort wurden zwangsweise die
Töchter der Calvinisten untergebracht, wo sie der Ketzerei abschwören
mussten. Ihr Aufenthalt dort betrug in der Regel 3 Monate, manche
blieben länger, um in die „Mysterien des Glaubens“ unterrichtet zu
werden. Marc Scheidecker stellte fest, dass vereinzelte Schülerinnen dort
mehrere Jahre verblieben. Besonders brutal war, als man ein Jahrzehnt
später den Widerspenstigen Hugenotten gegen jedes Menschenrecht ihre
Kinder wegnahm, um sie zur Zwangsadoption gab oder z.T. in Klöster
erziehen zu lassen
• 1657 kommt der 18jährige König Ludwig XIV. (Louis XIV 182 ) nach
Sedan. Louis wurde übrigens am 5.9.1639 in St. Germain en Laye als
Sohn des Louis XIII. und der Anne von Österreich geboren. In Sedan legte
er den ersten Stein für die neue Kirche der Kapuziner an der Corne de
Floin. Anlässlich des Aufenthaltes kam es zum Gedankenaustausch, wie
man die Ketzerei am schnellsten beenden könnte. Der junge König
182 ) Ludwig XIV regierte absolutistisch nach dem Tod des Kardinals Mazarin von 1661 – 1716. Sein
Nachfolger wurde sein Urenkel Ludwig XV
109