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Senat Ecléstiriale“ notierte er alle eingegangenen Schriftstücke mit einer kurzen<br />

Inhaltsangabe. Diese jeweils wenigen Zeilen sind doch so ausführlich, um sich ein<br />

gutes Bild machen zu können!<br />

Da unsere Franzosen aber auf keiner Insel der Glückseligkeit lebten, musste es<br />

zwangläufig zu Streit und Handgreiflichkeiten zwischen den Beteiligten kommen.<br />

Nicht nur Liebe, sondern vor allem Hass und Neid sind unheilvolle menschliche<br />

Triebfedern. Engelmann dokumentierte die Konflikte mit den Vorständen und<br />

Pfarrern der Deutsch Reformierten und der Katholischen Kirchengemeinde.<br />

Liebe Leser, bitte lesen Sie selbst, wie die Dinge damals zusammenhingen. Die<br />

Berichte wurden von Herrn Engelmann auf Französisch geschrieben. Sie zeigen,<br />

welches Organisationstalent in Pierre Engelmann steckte und wie viele starke<br />

Nerven er brauchte. Aber darüber hinaus hatte er einen hohen integrativen<br />

Charakter und konnte haltbare zwischenmenschliche Brücken bauen und<br />

konfessionelle Gräben überwinden. In dem Protokoll von 1724 wird er als<br />

durchsetzungsfähig, ernst und energisch, aber auch als sehr menschlich,<br />

ausgelassen und ausgesprochen höflich bezeichnet. Da Engelmann wie die<br />

meisten seiner Gemeindemitglieder auch fließend Deutsch sprach, war das<br />

Französisch für ihn keine unüberwindliche Sprachbarriere.<br />

Auch deutschsprachige Kaufverträge oder Notizen des Lautrer Ober Amtes sind<br />

festgehalten worden. Auch innerhalb der franz. Gemeinde wurde mit harten<br />

Bandagen gekämpft. Auch damals war wenig von christlicher Nächstenliebe zu<br />

spüren. Mobbing, üble Nachrede, ein umfangreicher Katalog von undenkbaren<br />

Gemeinheiten ist darin enthalten.<br />

Nun, am Sonntag, den 1.12.1715 hielt er seinen ersten Gottesdienst. Er predigte<br />

seinen >Schäfchen< von Frieden und Nächstenliebe. Seine ermahnenden Worte<br />

müssen auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Aber heute wie damals hatten es die<br />

Menschen schwer, miteinander auszukommen. Wir Menschen sind nicht nur edel<br />

und gut. Einige von uns sind richtig fies. Schattenseiten unseres Charakters führen<br />

zu hässlichem Nachbarschaftsstreitigkeiten, Mobbing & Verleumdungen. So<br />

auch vor 300 Jahren: Engelmann hatte sich als Vermittler für Streitigkeiten<br />

angeboten und davon machten die verzweifelten Familien dann reichlich<br />

Gebrauch.<br />

1715, Sonntag, den 22 Dezember, Gerade mal drei Wochen im Amt, hatte sich<br />

Pfarrer Engelmann mit den gegenseitigen Beleidigungen zweier Frauen zu<br />

beschäftigen. Er zitierte die Frau des Elias Renard und des Daniel Collet zu sich,<br />

die jede Gelegenheit genutzt hatten, um sich gegenseitig verbal in den Dreck zu<br />

ziehen. Pfarrer Engelmann legte beiden eine saftige Geldstrafe auf. Er versöhnte<br />

die beiden streitbaren Damen unter der Bedingung, er würde die erste Frau wieder<br />

zu einer Geldstrafe von zwei Florentinern zugunsten der Armenkasse verdammen,<br />

die als erste von neuem wieder anfinge.<br />

1716: Vier Wochen später, am 22.1.1716 standen Eheprobleme auf der<br />

Tagesordnung des Konsistoriums unter dem Vorsitz des Pfarrers Engelmann: Die<br />

Versammlung hatte die 62 jährige Susanne Nisset 225 eingeladen, die mit Antoine<br />

Thal (59 Jahre alt) verheiratet war. Sie hatte ihren Ehemann verlassen und<br />

weigerte sich, zu ihm zurückzukehren, da er bösartige Charakterzüge hatte. Thal<br />

hatte versprochen, zukünftig ganz anders leben und sich verhalten zu wollen. Er<br />

225 ) Susanne Nisset (Misset) starb 68 jährig am 3.6.1722. Anthoine Thal † 2.2.1725<br />

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