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Selbstversorger, die in der Pfalz durchschnittlich 30 % der Bevölkerung<br />

ausmachte. Aber in Erlenbach waren es 70 % aller Haushalte, die aus ihren<br />

kleinen Gärten und Äckern das Notwendigste herausholten. Ein gut bewachter<br />

Garten von 100 qm erbrachte gut 300 kg Kartoffeln 486 . Wenn es möglich war,<br />

pflanzte die Familie mehr. Die meisten hielten im Keller ein Schwein, lakonisch<br />

als Kellersau benannt, das die Essensreste bekam. Stallhasen, 10 Hühner und eine<br />

Geiß rundeten den Existenz sichernden Besitz ab. In diesen Notzeiten erinnerten<br />

sich die Städter ihrer armen Erlenbacher Verwandtschaft und erbettelten sich<br />

wichtige Kalorien. Wer konnte da schon hartherzig nein sagen?<br />

Denen standen die hungernden „Normalverbraucher“ gegenüber, die außer ihrer<br />

Arbeitskraft nichts vorzuweisen hatten. Dies waren in der Regel die früheren<br />

Beamten und Angestellten, die in guten Zeiten hochnäsig ihre Kontakte zu „de<br />

Bauere“ abgebrochen hatten. Sie bekamen zwar wie alle anderen am<br />

Monatsanfang je Person eine Lebensmittelkarte. Das Existenzminimum wurde<br />

nach Gramm berechnet. Erwachsene bekamen monatlich 25 x 50 g Brot und 40<br />

mal 5 g Fett. Haben Sie mal mitgerechnet wie wenig jedem Erwachsenem<br />

zustand? Dies war 2,5 kg Brot und 200 Gramm Fett. Auf der rechten Kartenseite<br />

waren 60 Abschnitte, mit denen wahlweise mal ein Pfund Kartoffeln, Marmelade<br />

oder sonstiges genommen werden konnte. Das hing davon ab, was gerade dem<br />

Laden zugeteilt worden war. Die Hausfrauen oder Kinder standen meist<br />

stundenlang in langen Warteschlangen vor dem Lebensmittelladen an, bis sie<br />

endlich bedient wurden. Auch damals galt bereits, wer zu spät kommt, den<br />

bestraft der Mangel. Glücklich war, wer großzügige Verwandtschaft aus<br />

Erlenbach und Morlautern hatte.<br />

Unsere Erlenbacher Selbstversorger gaben offiziell das ab, was sie abgeben<br />

mussten. Aber natürlich hatten sie für Fremde nicht einsehbar, noch Hühner oder<br />

ein Schwein versteckt. Oder vor der Schlachtung wurde die öffentliche Waage<br />

geschickt manipuliert, so dass aus einem fetten drei Zentner Schwein nur noch ein<br />

mageres 100 kg Tier wurde.<br />

Dass es in der Pfalz nicht zur Katastrophe kam, hing mit der amerikanischen Hilfe<br />

zusammen. Die USA hatten keine Missernten wie hier zu Ort, sondern sie<br />

verbuchten eine Weizen- und Maisrekordernte. Die Überschüsse kamen zu uns<br />

und linderten ab dem Oktober 1947 die Versorgungskrise ab. Allmählich ging es<br />

bergauf. Wendepunkt war die Währungsreform. Entsprechend dem ERP-Plan 487<br />

(Marshallplan) stellten die USA riesige Mengen an Grundnahrungsmittel zur<br />

Verfügung. Der Aufwind wurde durch die sehr ertragreiche Ernte des Jahres 1948<br />

unterstützt. Fleisch und Zucker waren noch 1949 knapp. Aber im März 1950<br />

schlossen bereits die Ernährungsämter ihre Pforten und die Angestellten<br />

übernahmen andere Aufgaben.<br />

12.2. Wehrmachts- und Beutegut in Erlenbach 1945 – 1947<br />

Nach dem Einmarsch machten die Alliierten etwas sehr Vernünftiges. Die<br />

bisherigen Gemeindeverwaltungen und ihre Bediensteten wurden unverzüglich<br />

wieder mit der Verwaltung beauftragt, natürlich unter anderen Vorzeichen. Denn<br />

486<br />

) Die extrem trockenen Sommer der Jahre 1946 und 1947 reduzierten die Ernte auf weniger als ein<br />

Drittel<br />

487<br />

European Recovery Program (ERP)<br />

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