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ankommen. Die Stadt solle ihre Kosten für Speis und Trank übernehmen<br />

und ihnen ziemliche Pfennige geben.<br />

1570, Mittwoch, der 10. Mai. Die Familie Wentz aus Erlenbach klagte<br />

vor dem Stadtrat Lautern alte Rechte ein. Die Spitalverwaltung<br />

verweigerte der Familie Wentz die tägliche Weinration. Ihr standen ein<br />

Maß und ihm zwei Dreiling zu. Der Stadtrat fällte eine vorläufige<br />

Entscheidung, die der Protokollant wie folgt festhielt: „Ist ihm der<br />

Bescheid (gegeben) worden, man könne jetzt keine abschließende<br />

Abrede tun. Er soll eine kleine Zeit Geduld haben, bis die<br />

Gemeindeherren des Spitals zusammen gekommen seien. Soll ihm zu<br />

Wissen getan werden und alsdann, da man der Abrede zufrieden, soll es<br />

kein Mangel haben“ 321<br />

Die Stadtjuristen hatten die ganze Bandbreite von möglichen und unmöglichen<br />

Fällen zu beurteilen und Recht zu sprechen. So klagte die Familie Lindenmaier<br />

gegen den Nachbarn Guetfreund. Die Lindenmaiers beklagten, der Schornstein<br />

der Nachbarn sei viel zu niedrig und sie würden durch den stinkigen Rauch<br />

belästigt. Sie hätten mehrmals in aller Güte vergeblich versucht, den Nachbarn zu<br />

bewegen, den Kamin zu erhöhen. Sie verlangten, Guetfreund solle endlich seinen<br />

Schornstein höher aufmauern. Die Richter wurden aufgefordert, diesen Missstand<br />

in Augenschein zu nehmen. (Fall 120 + 545)<br />

„Der Ehebruch eines Verheirateten mit einer ledigen Person, also noch mehr die<br />

geringe Fleisches-Verbrechen, werden nicht peinlich (= strafrechtlich), sondern<br />

bürgerlich bestraft. Die Untersuchungskosten bestreitet der Landesherr aus seinem<br />

Aerarium, wenn der Missetäter nichts im Vermögen hat“. (Bachmann S. 270<br />

unten)<br />

Den Ämtern und Oberämtern oblag die Strafverfolgung und somit die<br />

Strafprozesse (damals peinliche Prozesse genannt). Kurfürst Friedrich. schaffte<br />

in seinem Herzogtum die Folter (= das hochnotpeinliches Halsgericht) nach 1754<br />

ab. Er stellte somit die uralten Gebräuche von Hofgerichts-Schöffen, Blut-<br />

Schöffen, Zeter-Geschrei, Beischaffung des Galgens, Rad, Ketten & Henker-Ims<br />

und dergleichen ab. Allerdings „waren die Grenzen des Territoriums auch die<br />

Grenzen der peinlichen Gerichtsbarkeit“. Mit anderen Worten, in Mainz und Trier<br />

wurde weiter gefoltert.<br />

Stellte der Förster (Forst-Bediente) den Forstfrevler, so wurde er „sofort“ in der<br />

Gegenwart des Amtmanns oder vor dem Oberamt bestraft. „Höhere Forst-<br />

Verbrechen, als Wild-Dieberei, Brandstiftung und dergleichen wurden von einer<br />

Forst-Kommission geahndet, die sich aus einem Juristen, Aktuaris (Schreiber) und<br />

einem Deputierten des Forstoberamtes zusammensetzten. (Bachmann S. 271)<br />

Die dritte Instanz in dem Kurpfälzischen Rechtsstaat war das Ober-<br />

Appellationsgericht. Nach der Heidelberger Prozessordnung reichte das Oberamt<br />

den strittigen Fall an die Regierung weiter, die nach rechtlicher Würdigung den<br />

Fall dem Appellationsgericht zur Entscheidung übergab. Es hätte aber auch Fälle<br />

gegeben, dass sich die klagende Partei die Überlassung der Akten gewünscht<br />

hätte, statt das Ober-Appellationsgericht anzurufen. „Um in der Justizpflege die<br />

möglichste Unparteilichkeit zu zeigen, wird solches zwar erlaubt“. Der Appellant<br />

musste dann aber seine Verzichtserklärung auf Berufung beeiden, um nachher<br />

321 ) Protokollbuch der Stadt, # 546, gefunden von Herbert Schmelzer, Husarenäcker<br />

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