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Medien und Gewalt.

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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />

➔<br />

von Fernsehgewalt betrachtet werden. Andererseits fungiert ,Arousal‘ als Transaktionsfak­<br />

tor der Rezeption <strong>und</strong> damit als Wirkungsvariable. Zuschauer präferieren violente Pro­<br />

gramminhalte u. a. deshalb, weil sie sich von der Rezeption eine physische Reaktion ver­<br />

sprechen, die sie aufregend <strong>und</strong> anregend empfinden. [...] Unter Wirkungsgesichtspunk­<br />

ten ist Arousal ein Element bei der kognitiv-physiologischen Verarbeitung von <strong>Gewalt</strong>dar­<br />

stellungen, das den psychosozialen Wirkungsoutput mitbestimmt.“ Grimm will daher<br />

untersuchen, „ob <strong>und</strong> inwieweit spezifische Arousal- Muster bei der Fernsehgewalt-Rezep­<br />

tion mit bestimmten Wirkungsmustern im Einstellungsbereich der Zuschauer koinzidie­<br />

ren.“ Zu den „Gr<strong>und</strong>überzeugungen des kognitiv-physiologischen Forschungsansatzes“<br />

gehört es nach Grimm (1999, S. 227), „dass zwischen stimulierenden Fernsehprogrammen<br />

<strong>und</strong> potentiellen Verhaltenswirkungen kognitive Verarbeitungsprozesse stehen, in denen<br />

der Rezipient Verbindungen zwischen dem <strong>Medien</strong>szenario <strong>und</strong> lebensweltlichen Situa­<br />

tionen herstellt <strong>und</strong> seine physiologische Befindlichkeit während des Nutzungsvorgangs<br />

mit ,Bedeutung‘ ausstattet. Das Entschlüsseln von <strong>Medien</strong>wirkungsprozessen ist deshalb<br />

nur in der Doppelperspektivierung psychosozialer <strong>und</strong> physiologischer Effekte aussichts­<br />

reich.“ 137 Physiologische Wirkungen wurden in den Experimenten von Grimm durch die<br />

Messung von Hautleitfähigkeit <strong>und</strong> Puls erhoben, psychosoziale Wirkungen durch Fragen<br />

zu Angst, Aggression, <strong>Gewalt</strong>legitimation, <strong>Gewalt</strong>bereitschaft, Empathie, pro-sozialen<br />

Einstellungen, Scary-World-Ansichten usw.<br />

Eine detailliertere Schilderung der Durchführung <strong>und</strong> der Einzelbef<strong>und</strong>e von Grimms<br />

Experimenten erfolgt an anderer Stelle (vgl. Kapitel 3.2.5, 3.2.9, 3.2.10, 3.3.1, 3.3.2, 3.3.9,<br />

3.4.2.3, 3.4.2.4, 3.4.3.1). Hier sollen nur die wichtigsten Ergebnisse angesprochen wer­<br />

den: Der zentrale Bef<strong>und</strong> besteht in der Formulierung Grimms (1999, S. 706) darin, dass<br />

die Experimente ein „Wirkungspotpourri der Spielfilmgewaltrezeption“ erbrachten,<br />

„das sich nicht auf die griffige Kurzformel einer durch <strong>Medien</strong> verrohten Gesellschaft<br />

bringen lässt.“ Vielmehr reichte die aufgef<strong>und</strong>ene Wirkungsbandbreite „von <strong>Gewalt</strong>­<br />

rechtfertigung bis zur <strong>Gewalt</strong>ablehnung, von der Angst bis zur unterhaltsamen Span­<br />

nung, von politischer Entfremdung bis zu gesteigertem Selbstbewusstsein.“ Dabei<br />

folgte die Mehrzahl der festgestellten Wirkungen von Spielfilmgewalt „der Logik nega­<br />

tiven Lernens“. Damit ist gemeint, dass die rezipierten <strong>Gewalt</strong>modelle kritisch reflek­<br />

tiert werden <strong>und</strong> es dadurch eher zur Abschwächung denn zur Stärkung der Violenz<br />

komme.<br />

137 Von der Einbeziehung physiologischer Erregungsindikatoren im Rahmen eines Mehrmethodendesigns<br />

erhofft sich Grimm (1995, S. 95) eine Lösung des „Gr<strong>und</strong>problem[s] der arousalbezogenen Forschung“, das<br />

darin bestehe, „den Aussageanspruch einzelner physiologischer Indikatoren inklusive deren Grenzen<br />

genau zu bestimmen <strong>und</strong> dabei interferierende kognitive Vorgänge angemessen zu berücksichtigen.“<br />

Weit gehend unerforscht ist z. B. die Interdependenz verschiedener Formen von Arousal, die z. B. eher für<br />

emotionale oder eher für kognitive Vorgänge sprechen, bzw. solcher, die mit Aggression oder mit Empathie<br />

einhergehen. Grimm zufolge erleben Zuschauer Fernsehinhalte in nicht unerheblichem Ausmaß<br />

„vermittelt über Erregungs- <strong>und</strong> Aktivierungsprozesse, die sie erst nachträglich mit Sinn ausstatten.“<br />

Arousal konstituiere „einen zweiten Referenzrahmen, der die lernrelevanten Ereignisse auf dem Bildschirm<br />

gleichsam im Innern des Rezipienten doppelt. Da die Bedeutungskonstruktionen auf beiden Ebenen<br />

nicht immer zu gleichgesinnten Resultaten führen, stellt sich das Problem der Vermittlung. Ein arousaltheoretisch<br />

aufgeklärtes ,Lernmodell‘ der Fernsehrezeption muss die Synchronisationsprobleme bei<br />

der Bedeutungskonstruktion vorrangig behandeln. Das größte Hindernis auf diesem Erkenntnisweg ist<br />

die fehlende Integration physiologischer <strong>und</strong> kognitiver Prozesse.“ (Grimm 1999, S. 95). ➔<br />

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