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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Nicht untersucht wurde allerdings, welche Effekte z. B. die Kombination von Vielsehen<br />
<strong>und</strong> eigener Kriminalitätserfahrung nach sich zieht. Dass diese Fragestellung zu inte<br />
ressanten Bef<strong>und</strong>en führen kann, hat eine zwei Jahre zuvor veröffentlichte Studie von<br />
L. J. Shrum <strong>und</strong> Valerie Darmanin Bischak (2001) gezeigt, die von Gross <strong>und</strong> Aday (2003,<br />
S. 412) zwar erwähnt, aber nicht im eigentlich relevanten Kontext rezipiert wird. Shrum<br />
<strong>und</strong> Bischak hatten bei einer Befragung von 158 Personen in einem 50-Meilen-Radius<br />
um New York City (Personen in New York City selbst wurden nicht befragt) festgestellt,<br />
dass der Fernsehkonsum zwar mit der Einschätzung der gesellschaftlichen Kriminali<br />
tätsrate <strong>und</strong> des persönlichen Kriminalitätsrisikos in New York City (wo die Befragten<br />
niemals gewohnt hatten) zusammenhing, nicht jedoch mit dem persönlichen Krimina<br />
litätsrisiko in der eigenen Nachbarschaft. Interessant aber ist v. a. der Bef<strong>und</strong>, dass der<br />
Effekt des Vielsehens auf die Einschätzung einer hohen gesellschaftlichen Kriminali<br />
tätsrate <strong>und</strong> eines hohen persönlichen Risikos der Opferwerdung in New York City fast<br />
ausschließlich durch die Einschätzungen derer zustande kam, die Erfahrung als Krimi<br />
nalitätsopfer besaßen. Bei denjenigen ohne direkte Kriminalitätserfahrung hatte das<br />
Ausmaß des Fernsehkonsums kaum Auswirkungen auf die Einschätzung des Kriminali<br />
tätsrisikos. Auch kam der Zusammenhang zwischen eigener Kriminalitätserfahrung<br />
<strong>und</strong> der Einschätzung des persönlichen Viktimisierungsrisikos in der direkten Umge<br />
bung fast nur durch Vielseher zustande. Bei Wenigsehern hatte die eigene Kriminali<br />
tätserfahrung keinen Einfluss auf die Risikoeinschätzung.<br />
Insgesamt konnte festgestellt werden, dass der Fernsehkonsum einen stärkeren<br />
Zusammenhang mit der Kriminalitätsrisikoeinschätzung für diejenigen aufwies, die<br />
direkte Erfahrung mit den Auswirkungen von Verbrechen besaßen. Diese Bef<strong>und</strong>e<br />
zeigen, dass Kriminalitätserfahrung <strong>und</strong> Fernsehkonsum miteinander interagieren<br />
<strong>und</strong> nicht als zwei voneinander unabhängige Größen betrachtet werden können, wie<br />
dies in der Studie von Gross <strong>und</strong> Aday (2003) geschieht. Die Ergebnisse von Shrum <strong>und</strong><br />
Bischak bestätigen Gerbners Konzept der „Resonance“, d. h. der Annahme, dass Men<br />
schen, deren Lebenserfahrung den Fernsehbotschaften entspricht, vom Fernsehen<br />
stärker beeinflusst werden. 98 Eine Interaktion zwischen Fernsehen <strong>und</strong> direkter Erfah<br />
rungen in dem Sinne, dass diejenigen mit weniger eigener Erfahrung stärker vom<br />
Fernsehen beeinflusst werden, konnten die Verfasser nicht feststellen.<br />
In Deutschland hat Karl-Heinz Reuband (1998) eine Untersuchung durchgeführt, die<br />
verschiedene Drittvariablen einbezogen hat. Befragt wurden jeweils 1.200 Personen in<br />
Chemnitz, Dresden <strong>und</strong> Leipzig – drei Orten, die eine unterschiedlich hohe Kriminali<br />
tätsrate aufweisen. Die Studie ergab nur einen marginalen Einfluss des Lesens von<br />
Tageszeitungen auf die Kriminalitätsfurcht. 99 Lediglich ein gewisser Resonanzeffekt<br />
98 In der UNESCO-Studie mit Kindern aus 23 Ländern stellte auch Jo Groebel (1998) fest, dass Kinder, die in<br />
einem aggressiven Umfeld lebten (Kriegsgebiete, hohe Kriminalitätsrate), eine stärkere Übereinstimmung<br />
zwischen Realität <strong>und</strong> <strong>Medien</strong>inhalten angaben als diejenigen, die in einem weniger aggressiven<br />
Umfeld aufwuchsen.<br />
99 Reuband schließt allerdings nicht aus, dass es kurzfristige Furchteffekte beim Lesen der Meldung geben<br />
könnte. Darauf deuten die Bef<strong>und</strong>e einer unveröffentlichten Studie von Reuband <strong>und</strong> Rostampour (vgl.<br />
dazu Reuband 1998, S. 139) hin, die die Kriminalitätsfurcht mit den Kriminalitätsmeldungen des Tages<br />
<strong>und</strong> Vortages in Beziehung setzte. ➔<br />
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