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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Für die Existenz von Geschlechtsunterschieden bei der Rezeption von <strong>Medien</strong>gewalt<br />
sind verschiedene Gründe denkbar, die – wie Mary Beth Oliver (2000) hervorhebt –<br />
vermutlich teilweise zusammenwirken. In einer groben Einteilung lassen sich inhalts<br />
<strong>und</strong> rezipientenbezogene Erklärungsmöglichkeiten unterscheiden (vgl. Oliver 2000):<br />
Hinsichtlich inhaltsbezogener Faktoren wird auf die Bedeutung der wahrgenommenen<br />
Ähnlichkeit zwischen <strong>Medien</strong>figuren <strong>und</strong> Rezipienten verwiesen <strong>und</strong> konstatiert, dass<br />
in den <strong>Medien</strong> generell männliche Figuren dominieren. <strong>Medien</strong>inhalte sind damit für<br />
männliche Rezipienten interessanter <strong>und</strong> bieten ihnen ein größeres Identifikationspo<br />
tential. Ob die Unterschiede in der Darstellung von Männern <strong>und</strong> Frauen 176 die Reaktio<br />
nen der Rezipienten allerdings tatsächlich beeinflussen, ist aufgr<strong>und</strong> widersprüchli<br />
cher empirischer Bef<strong>und</strong>e umstritten. Ein anderer inhaltlicher Faktor sind die Themen<br />
von Filmen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Darstellungsmuster. Dabei liegen Hinweise<br />
dafür vor, dass Frauen an männerorientierten Unterhaltungsangeboten nicht Konflikt<br />
themen oder die Erfahrung von Spannung ablehnen, sondern sich ihre Abneigung auf<br />
<strong>Gewalt</strong>inhalte, v. a. die explizite Darstellung von <strong>Gewalt</strong>, bezieht.<br />
Interessant ist in diesem Kontext die von Berry, Gray <strong>und</strong> Donnerstein (1999) geäußerte<br />
Vermutung, dass es bei Frauen einen Schwellenwert für das Maß an <strong>Gewalt</strong> gibt, das<br />
innerhalb einer bestimmten Zeit gezeigt werden kann, ohne zu starke Ablehnung her<br />
vorzurufen. Die Forscher untersuchten in drei Experimenten, ob Filme anders wahrge<br />
nommen werden, wenn einige violente Szenen fehlen. Die Länge der gezeigten Aus<br />
schnitte variierte von 1,5 Minuten über 4,5 Minuten bis hin zu einem vollständigen ca.<br />
zweistündigen Film. In Bezug auf den kürzesten Filmausschnitt zeigte sich, dass Frau-<br />
en generell negativ reagierten, egal ob keine, eine oder zwei Szenen herausgeschnit<br />
ten wurde(n). Dies geschah vermutlich, weil der Ausschnitt insgesamt als zu violent<br />
eingeschätzt wurde, als dass graduelle Abstufungen im <strong>Gewalt</strong>gehalt einen Wahrneh<br />
mungsunterschied hätten hervorrufen können. In Bezug auf den vollständigen Film<br />
zeigte das Herausschneiden von insgesamt 20 Sek<strong>und</strong>en an zwei verschiedenen Stellen<br />
dagegen insofern Wirkung, als die geschnittene Version von Frauen als weniger unan<br />
genehm wahrgenommen wurde <strong>und</strong> bei ihnen auch weniger Erregung bzw. Angst<br />
hervorrief. Bei Männern zeigten sich wenig Unterschiede; der Genuss wurde durch die<br />
Schnitte sogar eher negativ beeinflusst. Die Begründungen von Berry, Gray <strong>und</strong> Don<br />
nerstein sind allerdings noch sehr spekulativ <strong>und</strong> müssten durch weitere Studien abge<br />
sichert werden. 177<br />
Was rezipientenbezogene Charakteristika betrifft, werden soziobiologische Faktoren<br />
diskutiert, die allerdings von den wenigsten Vertretern als unabhängig von der kultu<br />
rellen Ausprägung von Geschlechtsrollen gesehen werden. So ist zu vermuten, dass die<br />
176 In einer auf das fiktionale Unterhaltungsprogramm bezogenen Analyse der Darstellung von Männern<br />
<strong>und</strong> Frauen kommt Wenger (2000) zu dem Ergebnis, dass traditionelle Geschlechtsrollenklischees durch<br />
das Fernsehen verfestigt werden.<br />
177 Dass Frauen allerdings mehr <strong>Gewalt</strong> wahrnehmen als Männer, wird durch die Studie von Früh (2001)<br />
bestätigt. ➔<br />
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