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Übersicht <strong>Medien</strong>pädagogische Interventionsstrategien<br />
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nachgeprüft werden konnte, ob der <strong>Medien</strong>konsum tatsächlich reduziert worden war.<br />
In einer Untersuchung von Lawrence I. Rosenkoetter u. a. (2004) erhielten von 177 Kin<br />
dern der 1. bis 3. Klasse 130 ein Jahr lang ein- bis zweimal wöchentlich (außer in den<br />
Ferien) insgesamt 31 Unterrichtseinheiten von 20 bis 30 Minuten Länge mit Informatio<br />
nen über die verzerrte Darstellung von <strong>Gewalt</strong> im Fernsehen. 47 Kinder dienten als<br />
Kontrollgruppe. 342 Die Unterrichtseinheiten waren interaktiv angelegt <strong>und</strong> umfassten<br />
auch Musik, Rollenspiele, Filmausschnitte, Produktion eines Videos zum richtigen<br />
Umgang mit dem Fernsehen usw. Zu den vermittelten Inhalten gehörten Informatio<br />
nen über den starken Einfluss des Fernsehens, die Unangemessenheit von <strong>Gewalt</strong> als<br />
Problemlösungsmittel, alternative Problemlösungsmöglichkeiten, ökonomische Inte<br />
ressen der Fernsehindustrie, die Freiheit des Rezipienten, Fernsehinhalte auszuwählen,<br />
die Produktionsweise von Fernsehgewalt mit Hilfe von Spezialeffekten usw. In einer<br />
Sitzung berichtete ein Polizist darüber, dass die Polizeiarbeit in einschlägigen Fernseh<br />
sendungen falsch dargestellt werde <strong>und</strong> nicht aus ständigen Schießereien bestehe.<br />
Nach Abschluss der Unterrichtsreihe wurde das erworbene Wissen der Kinder geprüft,<br />
die Nutzung violenter Programme, die Identifikation mit gewalttätigen Fernsehhelden<br />
sowie das Aggressionsverhalten erhoben 343 <strong>und</strong> die Einstellung gegenüber Fernsehge<br />
walt abgefragt. Für das Wissen der Kinder <strong>und</strong> die Einstellung gegenüber Fernsehge<br />
walt lagen keine Daten einer Vorhermessung, sondern nur einer Nachhermessung vor.<br />
Die Bef<strong>und</strong>e sprechen für einen Erfolg der Intervention. Es zeigte sich, dass die Kinder<br />
in einem Wissenstest über das Fernsehen besser abschnitten. Im Hinblick auf die ande<br />
ren abhängigen Variablen zeigten sich deutliche Geschlechtsunterschiede. Im Gegen<br />
satz zur Kontrollgruppe war bei Mädchen in der Experimentalgruppe eine Reduktion<br />
des violenten TV-Konsums, der Identifikation mit violenten Fernsehhelden <strong>und</strong> eine<br />
Abnahme positiver Einstellungen zur Fernsehgewalt feststellbar. Ein Effekt auf das<br />
gewalttätige Verhalten zeigte sich bei Mädchen nicht, 344 wohl aber bei Jungen, bei<br />
denen wiederum keine Veränderungen bei den übrigen Variablen zu konstatieren waren.<br />
Insbesondere Jungen, die ursprünglich viel <strong>Gewalt</strong> im Fernsehen gesehen hatten,<br />
profitierten von dem Programm. Dass ihre Studie im Gegensatz zu einigen früheren so<br />
positive Resultate erbrachte, erklären die Verfasser mit der Länge der Intervention<br />
sowie mit dem Alter der Probanden. Sie vermuten, dass jüngere Kinder dem Thema<br />
noch offener gegenüberstehen <strong>und</strong> noch leichter beeinflusst werden können als ältere.<br />
342 Eine von den Autoren selbst berichtete Schwäche der Studie liegt darin, dass die Kinder den Gruppen<br />
nicht per Zufallsauswahl, sondern klassenweise zugeordnet wurden. Außerdem konnte ein Selbstselektionseffekt<br />
nicht ausgeschlossen werden, weil ca. 35% der Kinder aufgr<strong>und</strong> mangelnder Zustimmung ihrer<br />
Eltern nicht teilnehmen konnten. Die Verfasser weisen außerdem daraufhin, dass ihre Bef<strong>und</strong>e aus einer<br />
Stadt von ca. 50.000 Einwohnern nicht unbedingt auf Kinder aus Großstädten zutreffen müssen <strong>und</strong> dass<br />
ein Effekt sozialer Erwünschtheit bei den Befragungsergebnissen nicht ausgeschlossen werden kann, weil<br />
die Kinder die Intention der Unterrichtseinheiten erkannten.<br />
343 Dies geschah durch die Einschätzung Gleichaltriger. Die Kinder bekamen mehrere Fragen vorgelegt, zu<br />
denen sie angeben sollten, welche Jungen <strong>und</strong> welche Mädchen sich entsprechend verhielten (z.B. „Guess<br />
who starts a fight over nothing“). Die Aggressivität wurde über die Häufigkeit der Nennungen operationalisiert.<br />
344 Die Verfasser erklären dies mit einem „Boden-Effekt“, d.h. die Mädchen waren von Anfang an so wenig<br />
aggressiv, dass kaum eine weitere Reduktion eintreten konnte (vgl. Rosenkoetter u.a. 2004, S. 40). ➔<br />
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