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Übersicht <strong>Medien</strong>pädagogische Interventionsstrategien<br />
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geringen Abnahme bei Vielsehern. Nathanson <strong>und</strong> Yang erklären ihre Bef<strong>und</strong>e damit,<br />
dass Vielseher durch Fragen aus einem gewohnten Fernsehstil herausgerissen werden<br />
<strong>und</strong> zudem aus einem reichhaltigeren Erfahrungspool über Fernsehinhalte schöpfen<br />
können, weshalb Fragen bei ihnen wirksam sind. Wenigseher hingegen sind mögli<br />
cherweise so stark mit dem Nachvollziehen für sie ungewohnter Programme beschäf<br />
tigt, dass sie durch Fragen irritiert <strong>und</strong> überfordert werden.<br />
In einer weiteren Untersuchung stellte Nathanson (2004) der „Factual-Reality“-Inter<br />
vention („Factual Mediation“) kritische Kommentare über das Gesehene („Evaluative<br />
Mediation“, z. B. „All of those people in the TV show are NOT cool“) gegenüber. Die<br />
Versuchspersonen, 123 Kinder im Alter zwischen 5 <strong>und</strong> 7 bzw. zwischen 10 <strong>und</strong> 12 Jah<br />
ren, sahen Ausschnitte aus „Los Luchadores“, die dreimal durch die eine oder die ande<br />
re Botschaft (bzw. durch keine Botschaft) unterbrochen wurden.<br />
Der kritische Kommentar erwies sich als wirksamer als das „Factual-Reality“-State<br />
ment. Die Gruppe, die die „Factual-Reality“-Botschaft erhalten hatte, zeigte keine posi<br />
tiveren Reaktionen als eine dritte Gruppe, die gar keine medienpädagogische Bot<br />
schaft erhalten hatte. Besonders erfolgreich war die „Evaluative Mediation“ bei jünge<br />
ren Kindern, unabhängig davon, ob sie Viel- oder Wenigseher waren. Ein Gr<strong>und</strong> dafür<br />
könnte darin liegen, dass Kinder früher in der Lage sind, soziale Konsequenzen zu<br />
beurteilen als abstrakte Ideen <strong>und</strong> daher die eher die emotionale Ebene betreffende<br />
„Evaluative Mediation“ leichter verarbeiten können als die auf die kognitive Ebene<br />
zielende „Factual Mediation“. Unter den älteren Kindern profitierten die Vielseher am<br />
meisten von den kritischen Kommentaren, bei Wenigsehern war keine der Interventi<br />
onsstrategien besonders erfolgreich. Die „Factual Mediation“ hatte bei ihnen sogar<br />
leicht kontraproduktive Effekte, was die Verfasserin damit erklärt, dass die Experimen<br />
talsituation diese Kinder möglicherweise veranlasst hat, den violenten Inhalten mehr<br />
Aufmerksamkeit zu widmen, als sie es normalerweise tun würden.<br />
Eine mögliche Erklärung für die geringe Wirksamkeit von Interventionsstrategien, die<br />
auf die Unterscheidung von Realität <strong>und</strong> Fiktion abzielen, geben die Überlegungen<br />
von Burkhard Freitag <strong>und</strong> Ernst Zeitter (1999b; 2001, S. 23). Die beiden Autoren (1999b)<br />
fanden in einem Forschungsüberblick keine Hinweise darauf, dass die Fähigkeit, zwi<br />
schen Tatsächlichem <strong>und</strong> Erf<strong>und</strong>enem zu unterscheiden, die aggressionsfördernde<br />
Wirkung violenter Inhalte verringert (vgl. dazu auch Kapitel 3.4.2.6). Abgesehen<br />
davon, dass Freitag <strong>und</strong> Zeitter auf diesem Gebiet noch erhebliche Forschungslücken<br />
konstatieren, halten sie die bisherigen Bef<strong>und</strong>e durchaus für plausibel. Sie vertreten<br />
die Ansicht, dass Hinweise auf den fiktiven Charakter medialer <strong>Gewalt</strong>darstellungen<br />
letztlich nicht ausreichen dürften, da sich mit dem Wissen darüber, dass <strong>Medien</strong>inhalte<br />
fiktiv sind, nicht zwangsläufig die Bewertung verändert. Eine Einstellung ändere sich<br />
nicht unbedingt durch mehr Wissen, sondern nur dann, wenn man aufgr<strong>und</strong> des<br />
vermehrten Wissens auch zu einer anderen Bewertung gelange. Dies sei aber nicht<br />
unbedingt automatisch der Fall (vgl. dazu auch Nathanson 2004 <strong>und</strong> Kapitel 3.4.2.6).<br />
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