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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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waren die Ergebnisse für „Beauty and the Beast“, den 62 % der Kinder als für beide<br />
Geschlechter geeignet, allerdings immerhin knapp 32 % als geeignet für Mädchen <strong>und</strong><br />
nur gut 6 % als geeignet für Jungen einschätzten. Die geschlechtsstereotype Einschät<br />
zung stieg mit dem Alter der Probanden geringfügig an. Bei Kindern, die „Beauty and<br />
the Beast“ nicht als „weiblichen“ Film einstuften, gab es keine Geschlechtsunterschie<br />
de im Hinblick auf das Sehvergnügen. Bei denjenigen, die eine geschlechtsrollenste<br />
reotype Einstufung vornahmen, mochten Jungen den Film signifikant weniger als<br />
Mädchen. Für die „Turtles“ galt Entsprechendes mit umgekehrten Vorzeichen. 179<br />
Einige Autoren betonen, dass Geschlechtsrollen von verschiedenen Personen unter<br />
schiedlich stark internalisiert werden <strong>und</strong> daher die eigene Geschlechtsrollenwahr<br />
nehmung bzw. die Stärke der Identifikation mit typisch männlichen bzw. weiblichen<br />
Eigenschaften <strong>und</strong> Verhaltensweisen Reaktionen auf <strong>Medien</strong>inhalte besser vorhersa<br />
gen kann als das biologische Geschlecht. Mary Beth Oliver, Stephanie Lee Sargent <strong>und</strong><br />
James B. Weaver (1998) konnten beispielsweise in einem Experiment mit 207 Studen<br />
tinnen <strong>und</strong> 193 Studenten zeigen, dass Personen, die als eher „weiblich“ klassifizierte<br />
Merkmale aufwiesen („communal“, d. h. fürsorglich), negativer auf einen violenten<br />
Film reagierten <strong>und</strong> insgesamt stärkere Empathiereaktionen an den Tag legten als<br />
Personen, die sich stärker durch als eher „männlich“ klassifizierte Attribute („agentic“,<br />
d. h. zielstrebig) auszeichneten. Dabei hatte das „psychologische“ Geschlecht einen<br />
stärkeren Einfluss auf die Antworten der Männer als auf die der Frauen.<br />
Insgesamt müssen Bef<strong>und</strong>e zur geschlechtstypischen Wahrnehmung von <strong>Medien</strong>ge<br />
walt, die auf Selbstangaben beruhen, allerdings mit Vorsicht interpretiert werden, da<br />
das Antwortverhalten möglicherweise von genau den Geschlechtsrollenstereotypen<br />
determiniert wird, die als Wirkungsursachen zur Debatte stehen. So könnte z. B. das<br />
Ergebnis, dass Frauen ängstlicher auf <strong>Medien</strong>gewalt reagieren, zumindest zum Teil<br />
auch darauf zurückgeführt werden, dass es für Frauen sozial akzeptabler ist, ihre<br />
Furcht auch zu bekennen, als für Männer. Ebenso könnte bei Frauen das Zugeben<br />
gewalttätiger Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensdispositionen eher als bei Männern Hem<br />
mungen unterliegen (vgl. dazu Kapitel 3.3.9; vgl. auch Kiewitz/Weaver 2001).<br />
Eine weitere Erklärung für Geschlechtsunterschiede in der Wahrnehmung speziell<br />
violenter Inhalte liefert Jutta Röser (2001). Sie führt Wahrnehmungsdifferenzen von<br />
<strong>Medien</strong>gewalt auf unterschiedliche soziale Kontexte zurück. Im Zentrum ihres For<br />
schungsinteresses stehen v. a. (geschlechtsgeb<strong>und</strong>ene) gesellschaftliche Dominanz-<br />
<strong>und</strong> Machtverhältnisse, in die der Rezipient eingebettet ist. Diese gesellschaftlichen<br />
179 Wie die Verfasser selbst ausführen, kann allerdings nicht entschieden werden, ob die Präferenzen der Kinder<br />
sich auf die Stereotypisierung der <strong>Medien</strong>inhalte auswirken oder die stereotypisierte Wahrnehmung<br />
die Sehpräferenzen beeinflussen. Die Autoren vermuten, dass beide Prozesse eine Rolle spielen. ➔<br />
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