Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
➔<br />
empfinden <strong>und</strong> das eigene Gefühlsleben „gewissermaßen auf eine mittlere Amplitu<br />
de“ (Winterhoff-Spurk o.J.) einstellen <strong>und</strong> dort dauerhaft halten würden.<br />
Es ist allerdings zu betonen, dass es sich bei diesen Wirkungsmechanismen noch um<br />
Vermutungen handelt. Die Forscher haben bislang nur inhaltsanalytische Daten zum<br />
<strong>Gewalt</strong>gehalt 106 von Fernsehnachrichten vorgelegt <strong>und</strong> emotionale Reaktionen von<br />
Rezipienten auf Fernsehnachrichten untersucht. Die Inhaltsanalyse der Hauptnach<br />
richtensendungen von ARD, ZDF, RTL, SAT.1 <strong>und</strong> Pro7 während dreier künstlicher<br />
Wochen Anfang Dezember 1996, 1998 <strong>und</strong> 2000 ergab einen steigenden Anteil an<br />
<strong>Gewalt</strong>, 107 einen Rückgang der Einstellungsdauer, eine Tendenz, <strong>Gewalt</strong> häufiger im<br />
Bild zu präsentieren, <strong>und</strong> eine wachsende Variabilität bei den Kameraeinstellungen<br />
(vgl. Unz/Schwab/Winterhoff-Spurk 2002, S. 100–102; Winterhoff-Spurk 1998,<br />
S. 548–552; Winterhoff-Spurk o.J.; Winterhoff-Spurk/Unz/Schwab 2001, S. 26–28).<br />
Eine Studie mit 135 Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der 8. <strong>und</strong> 9. Klasse, die ein Video-Band<br />
mit zehn Nachrichtenbeiträgen (acht mit verschiedenen Formen von <strong>Gewalt</strong>, zwei<br />
ohne <strong>Gewalt</strong>) vorgeführt bekamen, zeigte, dass die Art der <strong>Gewalt</strong> für die emotionalen<br />
Reaktionen der Rezipienten wichtig ist. Vorsätzliche <strong>Gewalt</strong> an Menschen führte zu<br />
Emotionen wie Trauer, Wut, Ekel, Verachtung <strong>und</strong> Angst; die entsprechenden Berichte<br />
wurden zwar als unangenehm, aber auch als wichtig <strong>und</strong> dringlich eingestuft. Wenig<br />
überraschend wurde diese Art von <strong>Gewalt</strong> als nicht zufällig, durch andere Personen<br />
verursacht, als prinzipiell kontrollierbar <strong>und</strong> als mit den Zuschauernormen schwer<br />
vereinbar betrachtet. Naturkatastrophen dagegen lösten v. a. Angst aus. Auch sie<br />
waren in den Augen der Zuschauer sowohl unangenehm als auch wichtig, sie wurden<br />
– ebenfalls kaum überraschend – als zufällig <strong>und</strong> wenig kontrollierbar eingestuft (vgl.<br />
Unz/Schwab/Winterhoff-Spurk 2002, S. 102–107; Winterhoff-Spurk o.J.; Winterhoff-<br />
Spurk/Unz/Schwab 2001, S. 29f.).<br />
Des Weiteren haben die Forscher bei 18 Jugendlichen zwischen 13 <strong>und</strong> 18 Jahren die<br />
mimischen Reaktionen auf verschiedene gewalthaltige <strong>und</strong> gewaltfreie Nachrichten<br />
beiträge untersucht. Auch die hierbei erzielten Ergebnisse überraschen nicht: Die<br />
Versuchspersonen zeigten bei gewalthaltigen Einstellungen häufiger Reaktionen als<br />
bei gewaltfreien. Bei nicht intentionaler <strong>Gewalt</strong> zeigten sich eher Reaktionen, wenn<br />
Menschen geschädigt wurden, als wenn Tiere oder Sachen zu Schaden kamen. Nicht<br />
erklärt werden konnte der Bef<strong>und</strong>, dass <strong>Gewalt</strong>, die nur im Text berichtet wird, mehr<br />
negative mimische Reaktionen bewirkte als <strong>Gewalt</strong> die nur im Bild oder in Text <strong>und</strong><br />
Bild vorkam (vgl. Unz/Schwab/Winterhoff-Spurk 2002, S. 107–111; Winterhoff-Spurk/<br />
Unz/Schwab 2002, S. 30f.).<br />
Als „Untersuchungen zur Kultivierungshypothese“ bezeichnen die Forscher eine wei<br />
106 „<strong>Gewalt</strong>“ wurde folgendermaßen definiert (Winterhoff-Spurk/Unz/Schwab 2001, S. 26): „<strong>Gewalt</strong> in Fernsehnachrichten<br />
liegt dann vor, wenn die unmittelbare Vorbereitung, die Durchführung <strong>und</strong>/oder die<br />
unmittelbaren Folgen intendierter oder nicht intendierter, für Menschen oder Dinge physisch schädigender<br />
Handlungen oder Ereignisse in Text <strong>und</strong>/oder Bild vorkommen.“<br />
107 Anteil der gewalthaltigen Kameraeinstellungen an allen Kameraeinstellungen, operationalisiert mit der<br />
Anzahl 1996: 11 %, 1998: 20 %, 2000: 19 % bzw. der Dauer: 1996: 10 %, 1998: 17 %, 2000: 15 %. Die privaten Sender<br />
zeigten dabei durchschnittlich etwa doppelt so viele <strong>Gewalt</strong>einstellungen wie die öffentlich-rechtlichen. ➔<br />
86