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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Legitimationsdruck entsteht.“ Die <strong>Medien</strong> gewannen in dem Augenblick an Bedeu<br />
tung, als in Hoyerswerda eine Ausschreitung außer Kontrolle geriet <strong>und</strong> auf die Agen<br />
da der nationalen <strong>Medien</strong>berichterstattung gelangte (Brosius/Esser 1995b, S. 254):<br />
„[...] die <strong>Gewalt</strong> [wird] plakativ im Fernsehen dargestellt [...], den Zuschauern [wird] die<br />
Unterstützung der Straftäter durch die applaudierenden Anwohner vor Augen geführt,<br />
da wird die Lunte an das Pulverfass gelegt. Die Berichterstattung führt zu einer enor<br />
men Welle der <strong>Gewalt</strong>.“<br />
Dass zur Auslösung fremdenfeindlicher Straftaten die verschiedenen Faktoren des<br />
„Eskalationsmodells“ (Zuwanderung, Besorgnis der Bevölkerung darüber, vermehrte<br />
<strong>Medien</strong>berichterstattung über Zuwanderung <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit, <strong>Gewalt</strong>be<br />
reitschaft potentieller Täter), die den Nährboden für Anstiftungseffekte bilden, mit<br />
einem Schlüsselereignis zusammentreffen müssen, bestätigt auch eine weitere Unter<br />
suchung (Esser/Scheufele/Brosius 2002):<br />
Die Ausgangsstudie hatte in einer „Konfliktphase“ (1990–1993) stattgef<strong>und</strong>en, in der<br />
das Asyl- <strong>und</strong> Zuwanderungsproblem <strong>und</strong> die Zunahme fremdenfeindlicher <strong>Gewalt</strong> in<br />
der öffentlichen Diskussion eine zentrale Rolle spielten. Folgt man den Annahmen des<br />
Eskalationsmodells, so dürften Anstiftungseffekte der <strong>Medien</strong> dagegen in einer „Nor<br />
malphase“ (d. h. entspanntes gesellschaftliches Klima, die Zuwanderungs- <strong>und</strong> Asylfrage<br />
nimmt keine herausragende Position auf der politischen Agenda ein) ausbleiben. Eine<br />
solche „Normalphase“ herrschte zwischen August 1993 <strong>und</strong> Dezember 1996. Für diesen<br />
Zeitraum nahmen die Verfasser eine Inhaltsanalyse von „Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“ <strong>und</strong> „Bild-Zeitung“ vor. Die Berichterstattung zur<br />
Fremdenfeindlichkeit war im Vergleich zur vorangegangenen Studie zurückgegangen<br />
(trotz des Brandes im Lübecker Asylantenwohnheim am 17./18.1.1996, dem jedoch<br />
Merkmale eines Schlüsselereignisses fehlten). 115 Kurzfristige Ansteckungseffekte waren<br />
nicht festzustellen, so dass die Verfasser resümieren (Esser/Scheufele/Brosius 2002,<br />
S. 93): „Beides – Nährboden <strong>und</strong> Schlüsselereignis – müssen zusammenkommen, damit<br />
Massenmedien zu einer Ausbreitung fremdenfeindlicher <strong>Gewalt</strong> beitragen.“<br />
Für das Jahr 2000 identifizierten die Forscher erneut einige Voraussetzungen des<br />
Eskalationsmodells. Zuwanderung wurde wieder ein Thema (z. B. „Kinder-statt-Inder“<br />
Kampagne in Nordrhein-Westfalen, Diskussion um ein Zuwanderungsgesetz, ein NPD-<br />
Verbot usw.), <strong>und</strong> die Zahl der fremdenfeindlichen <strong>und</strong> der rechtsextremen Straftaten<br />
stieg wieder an. Auch gab es ein neues Schlüsselereignis, den Bombenanschlag vor<br />
einem Düsseldorfer S-Bahnhof, bei dem zehn Aussiedler verletzt wurden. Untersucht<br />
wurde die Berichterstattung der „Bild-Zeitung“ <strong>und</strong> der „Süddeutsche Zeitung“. Es gab<br />
zwar Zusammenhänge zwischen Berichterstattung <strong>und</strong> fremdenfeindlichen Anschlä<br />
gen, Belege für eine breite <strong>Medien</strong>wirkung konnten dabei jedoch nicht aufgef<strong>und</strong>en<br />
werden. Es gab lediglich Hinweise darauf, dass die Berichterstattung v. a. Täter mit<br />
rechtsextremer Prägung ansprach (vgl. Esser/Scheufele/Brosius 2002, S. 132).<br />
115 So ließ sich der zunächst angewandte Bezugsrahmen „fremdenfeindlicher Brandanschlag“ nicht aufrechterhalten;<br />
die Täterfrage blieb ungeklärt. ➔<br />
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