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Übersicht Zusammenfassung<br />
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die Ergebnisse dem Modell nicht widersprechen, kann allerdings noch keineswegs als<br />
stichhaltiger Beleg dafür angesehen werden, dass sich die Abläufe genau so wie im<br />
Modell vermutet vollziehen. Je komplexer die Modelle werden, desto stärker stellt sich<br />
auch dieses Problem.<br />
Als Konzept, das durchaus einen Erkenntnisfortschritt erbracht hat, ist allerdings der<br />
„kognitiv-physiologische Ansatz“ von Jürgen Grimm zu bewerten. Dieser Ansatz be<br />
schreibt zwar stärker eine Forschungsanlage als eine Wirkungstheorie, hat jedoch zu<br />
interessanten Resultaten geführt. Die von Grimm konstatierte Bedeutung der Opfer<br />
perspektive (<strong>und</strong> damit der Angst- <strong>und</strong> Empathieauslösung) als Ausgangspunkt für die<br />
Wirkung von <strong>Medien</strong>gewalt wirft ein neues Licht auf ältere Wirkungstheorien, die<br />
eine täterfokussierte Rezeptionsweise unterstellen (wie z. B. die Vorstellung von einer<br />
Nachahmung von <strong>Gewalt</strong>handlungen). Solche Theorien werden durch Grimms Befun<br />
de nicht völlig widerlegt, es wird aber eine differenziertere Betrachtungsweise nahe<br />
gelegt, zu der auch die stärkere Einbeziehung von Rezipienten- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>darstel<br />
lungsvariablen gehört. Auf diesem Wege lassen sich sowohl aggressionsmindernde als<br />
auch aggressionsfördernde Auswirkungen von <strong>Medien</strong>gewalt besser erklären. Grimms<br />
Interpretationen sind allerdings für die empirische Basis, auf der sie beruhen, recht<br />
weit reichend.<br />
Bislang fehlt es an Studien, die die entsprechenden Überlegungen aufgreifen <strong>und</strong> im<br />
Rahmen weiterer Untersuchungen fortführen.<br />
Kaum Fortschritte sind im Hinblick auf die methodische Entwicklung zu ver<br />
zeichnen. Die meisten Studien beruhen auf Laborexperimenten, bei denen noch immer<br />
teilweise äußerst fragwürdige Versuchsanlagen zum Einsatz kommen. Die gewählten<br />
Operationalisierungen sind zwar häufig sehr phantasievoll, damit aber noch lange<br />
nicht valide (z. B. Auslösen unangenehmer Geräusche oder Versenken der Hand einer<br />
anderen Person in Eiswasser als Aggressionsmaße oder Verwendung einer angebli<br />
chen „mood freezing pill“, um die Überzeugung von der Veränderbarkeit eigener<br />
Stimmungen zu manipulieren, usw.). Hinzu kommt, dass die „Wirkung“ von <strong>Gewalt</strong><br />
häufig nur über kognitive <strong>und</strong> affektive Effekte, nicht aber über eine Beeinflussung des<br />
Verhaltens untersucht wird.<br />
Auch die Methode der Befragung wird häufig angewandt. Bei der Interpretation der<br />
Ergebnisse wird jedoch die Problematik von Selbstangaben, insbesondere im Hinblick<br />
auf Motive für die <strong>Medien</strong>gewaltnutzung sowie mögliche Folgen des <strong>Gewalt</strong>konsums,<br />
nicht immer ausreichend berücksichtigt.<br />
Einige Untersuchungen bedienen sich auch qualitativer Methoden, v. a. Intensivinter<br />
views mit einigen wenigen Probanden oder auch Verhaltensbeobachtungen. Solche<br />
Verfahren sind insbesondere für explorative Untersuchungen, bei komplexen Zusam<br />
menhängen <strong>und</strong> bei schwierig zu erreichenden bzw. schwierig zu untersuchenden<br />
Probandengruppen (z. B. Kinder, delinquente Jugendliche usw.) sinnvoll. Nicht selten<br />
werden die Bef<strong>und</strong>e allerdings unzulässig verallgemeinert, überinterpretiert oder<br />
auch in anekdotischer Manier zur Illustration von Wirkungsspekulationen der Auto<br />
ren herangezogen.<br />
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