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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Hinzu kommt, dass sich die meisten Studien lediglich mit dem Aspekt der Faktizität<br />
bzw. Tatsächlichkeit befasst haben, d. h. mit der Frage, ob Kinder erkennen, wann es<br />
sich bei einer Darstellung um die Wiedergabe tatsächlicher Ereignisse <strong>und</strong> wann um<br />
nachgespielte oder inszenierte Inhalte handelt. Wichtig ist aber auch der soziale Realis<br />
mus von <strong>Gewalt</strong>inhalten, d. h. die Frage, ob die gezeigten Vorgänge der Lebenserfah<br />
rung entsprechen bzw. sich nach Meinung der Kinder im wirklichen Leben so abspie<br />
len könnten. Diese Dimension der Realitäts-/Fiktionsunterscheidung ist von der For<br />
schung bislang ebenso vernachlässigt worden wie eine dritte Variante, die Entwick<br />
lung parasozialer Beziehungen mit einer violenten Fernsehfigur. 164<br />
Folgt man Freitag <strong>und</strong> Zeitter (1999b; 2001), so ist es durchaus plausibel anzunehmen,<br />
dass Wissen nicht vor Wirkung schützt. Die Autoren meinen, dass Wissen keine<br />
Schutzeffekte entfalten könne, wenn es nicht mit einer entsprechenden (negativen)<br />
Bewertung verb<strong>und</strong>en sei. Eine solche negative Bewertung jedoch stehe während der<br />
Rezeption einem Genießen des Gesehenen entgegen, denn der Genuss liege schließlich<br />
vielfach in einer vollständigen emotionalen Beteiligung am Filmgeschehen.<br />
Amy Nathanson, die sich mit der Wirksamkeit verschiedener medienpädagogischer<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> dabei auch dem Aspekt der Realitäts-/Fiktionsunterscheidung befasst<br />
hat (vgl. Kapitel 10.2), argumentiert ebenfalls, dass das Verständnis der Rezipienten für<br />
die technischen Komponenten des Fernsehens nicht unbedingt dazu führe, dass Kinder<br />
vor negativen Folgen von <strong>Medien</strong>gewalt geschützt würden. Im Gegenteil werde da<br />
durch das Interesse an <strong>Gewalt</strong>darstellungen eventuell sogar noch gefördert. Zudem<br />
können Zuschauer auch Darstellungen zum Verhaltensmaßstab machen, von denen sie<br />
wissen, dass sie nicht real sind. Ihr starkes Bedürfnis nach sozialer Akzeptanz könne<br />
Kinder dazu bewegen, unter ihren Altersgenossen populäre Fernsehprotagonisten<br />
nachzuahmen, unabhängig davon, ob sie um den fiktiven Charakter der <strong>Medien</strong>darstel<br />
lung wüssten oder nicht. Nathanson (2004, S. 324) konstatiert: „This means that chil<br />
dren’s desire for social acceptance may compete or override with their rational judge<br />
ments.“ Auch Nathansons eigene Studien erbrachten ebenso wie Untersuchungen zur<br />
Evaluation medienpädagogischer Programme keineswegs überzeugende Bef<strong>und</strong>e im<br />
Hinblick auf die Wirksamkeit von Botschaften, die auf eine Stärkung der Realitäts-/<br />
Fiktionsunterscheidung bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen abzielen (vgl. Kapitel 10).<br />
3.4.2.7 Humor<br />
Der Faktor „Humor“ gehört zu den bislang noch am wenigsten erforschten Wirkungs<br />
bedingungen von <strong>Medien</strong>gewalt. Früh (2001) konstatierte in seiner Rezeptionsstudie,<br />
dass die Probanden in einem humorvollen Kontext weniger <strong>Gewalt</strong> wahrnahmen,<br />
weniger Angst zeigten <strong>und</strong> die Empathie mit dem Opfer reduziert wurde. In fiktionalen<br />
Genres wurde humorvoll präsentierte <strong>Gewalt</strong> auch mehr genossen. Früh (2001, S. 121f.)<br />
meint dazu: „Dabei mag zusammenspielen, dass ein Teil der humoristisch verfremde<br />
164 Eine Fernsehfigur bekommt dabei eine „eigene personale Identität“ verliehen bzw. wird wie eine reale<br />
Person behandelt. Zu den ersten beiden Dimensionen der Realitäts-/Fiktionsunterscheidung vgl. auch<br />
Kapitel 10.2. ➔<br />
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