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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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schiedlichen Deutungen (z. B. als Unfall, Mord oder gerechte Strafe). Als wichtigste<br />
Faktoren, die Wahrnehmung <strong>und</strong> Verarbeitung der Todes- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>darstellungen<br />
beeinflussen, haben sich Geschlecht, persönliche Erfahrungen mit Tod <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>,<br />
Glauben <strong>und</strong> religiöser Hintergr<strong>und</strong> sowie individuelle Vorstellungen von Tod <strong>und</strong><br />
<strong>Gewalt</strong> herauskristallisiert. Hinsichtlich des Geschlechts zeigte sich, dass Mädchen bei<br />
der Wahrnehmung <strong>und</strong> Verarbeitung von Tod <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> ein besonderes Augenmerk<br />
auf die Opfer <strong>und</strong> Hinterbliebenen haben. Auch identifizierten sie sich mehr als Jungen<br />
mit einzelnen Personen <strong>und</strong> deren Schicksal, d. h. sie waren stärker emotional einge<br />
b<strong>und</strong>en. Die Aufmerksamkeit der Jungen dagegen galt v. a. Stunts <strong>und</strong> Trickszenen<br />
(vgl. Hackenberg/Hajok 2002, S. 11). Die geschlechtsspezifische Rezeption wurde von<br />
den persönlichen Erfahrungs- <strong>und</strong> Glaubenshintergründen überlagert. Dabei mach<br />
ten unmittelbare persönliche Todeserfahrungen „in aller Regel sensibel für mediale<br />
Todesdarstellungen“ (Hackenberg/Hajok 2002, S. 12). Die persönlichen Vorstellungen<br />
von Tod <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> werden als Resultat der Reflexion persönlicher Erfahrungs- <strong>und</strong><br />
Glaubenshintergründe gesehen. Die Autoren konstatieren (2002, S. 13), „dass in erster<br />
Linie die medial vermittelten Vorstellungen von Tod <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> irritieren <strong>und</strong> zur<br />
Reflexion anregen, die nahe an die bereits bestehenden Konzepte seitens der Rezipien<br />
ten herankommen.“<br />
Zur Erklärung angstmotivierter <strong>Medien</strong>nutzung eignet sich das von Grimm (1999,<br />
S. 334f.) entwickelte „Modell der analogischen <strong>und</strong> kontrastiven Programmbindungen“.<br />
Grimm beschreibt darin zwei Varianten des „TV-Gefühlsmanagements“. Die erste<br />
Variante, die analogisch konfrontierende Nutzungsart, beruht auf inhaltlicher Überein<br />
stimmung zwischen Zuwendungsdisposition <strong>und</strong> Programminhalt <strong>und</strong> zielt „auf<br />
Konfrontation mit einem kritischen Gefühlskomplex ab“. Das bedeutet, dass sich Rezi<br />
pienten gerade solchen <strong>Medien</strong>inhalten aussetzen, die ein problematisches Gefühl<br />
hervorrufen, um durch dessen Stimulation auch die Bearbeitung <strong>und</strong> Kontrolle dieses<br />
Gefühls zu aktivieren, was „zu einer Abschwächung der emotionalen Disposition füh<br />
ren kann, allerdings nicht führen muss [...].“ (Grimm 1999, S. 335). In Bezug auf die<br />
Angstthematik schreibt Grimm (1999, S. 339): „Die Konfrontation mit dem Schreckli<br />
chen ist für ängstliche Menschen insofern funktional, als sie in verträglichen Dosen<br />
zuführt, was der reflexiven Gefühlsbearbeitung bedarf. Mit dem kritischen Gefühlsbe<br />
reich wird zugleich das zugehörige Steuerungspotenzial angeregt, so dass sich durch<br />
die Angststimulation potenziell auch das Angstmanagement verbessert.“<br />
Die zweite Variante des Gefühlsmanagements ist die kontrastiv-kompensierende Nut<br />
zungsart, bei der Zuwendungsdisposition <strong>und</strong> Programminhalt divergieren. Es werden<br />
der zu bekämpfenden Emotion entgegengesetzte <strong>Medien</strong>inhalte genutzt, „die uner<br />
wünschte Emotionen unterbrechen, vermeiden <strong>und</strong>/oder blockieren sollen.“ (Grimm<br />
1999, S. 335). Grimm (1999, S. 335) stellt fest, dass diese Variante dem Eskapismus-Kon<br />
zept nahekommt, 79 allerdings keine Realitätsflucht bedeute: „Ziel ist nicht etwa ein<br />
endgültiges Verlassen der belastenden Realität in Richtung irrealer Traumwelten.<br />
79 Eskapismus, z. B. in Form einer Ablenkung von Problemen in Elternhaus, Schule <strong>und</strong> mit Gleichaltrigen,<br />
kann eine weitere Motivation zur Nutzung violenter <strong>Medien</strong>inhalte sein (vgl. z. B. Bonfadelli 2000, S. 241). ➔<br />
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