Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
➔<br />
ten. Dabei bezieht er sich allerdings auf Untersuchungen, die aufgr<strong>und</strong> methodischer<br />
Mängel als Beleg nicht taugen. Darüber hinaus ist es nicht gerechtfertigt, diesen<br />
Zusammenhang auch für die eigenen Daten zu unterstellen, ohne diese Behauptung<br />
einer Prüfung zu unterziehen. Obwohl Centerwall nichts anderes vornimmt als den so<br />
genannten „Klapperstorchbeweis“ (wo es viele Störche gibt, ist die Geburtenrate hoch<br />
– also bringt der Storch die Kinder), wird diese Studie immer wieder vollkommen unkri<br />
tisch als Beleg für die Gefährlichkeit von <strong>Medien</strong>gewalt angeführt (vgl. z. B. Bok 1998,<br />
S. 85f.; Sparks/Sparks 2002, S. 275f.; Villani 2001, S. 394; Weiß 2000, S. 100). Zu den Kriti<br />
kern der Studie gehört Jib Fowles (1999, S. 52) der die Absurdität der Logik von Center<br />
wall folgendermaßen herausstellt: „[...] as more entertainment violence has become<br />
available on television, crime rates in the United States have been decreasing, thus<br />
erasing positive correlations and causal imputations.“ Fowles argumentiert u. a., dass<br />
aufgr<strong>und</strong> der intensiveren Verfolgung von Drogendelikten die Zahl der in Gefängnis<br />
sen einsitzenden Personen gestiegen, während gleichzeitig die Kriminalitätsrate<br />
gesunken sei. Ferner macht Fowles darauf aufmerksam, dass Centerwall den „Baby-<br />
Boom“ zwischen 1947 <strong>und</strong> 1964 ignoriert. Da violente Verbrechen überwiegend von<br />
jungen Männern begangen würden, sei der Anstieg dieser Delikte in den 70er Jahren<br />
die Folge des „Baby-Booms“ gewesen. Auf die USA bezogen argumentiert Fowles, dass<br />
die Kriminalitätsrate (auch für violente Verbrechen) absank, nachdem die „Baby-<br />
Boom-Generation“ das Alter von 30 Jahren überschritten hatte. Auch in Kanada sei ein<br />
starker Anstieg der Geburtenrate erfolgt.<br />
2001 hat Gary F. Jensen eine umfassendere Prüfung der Bef<strong>und</strong>e von Centerwall vorge<br />
nommen. Jensen wirft Centerwalls Studie drei Schwachpunkte vor: 1. Centerwall hat<br />
einen zu begrenzten Zeitraum untersucht. 2. Er hat keine multivariate Analyse durch<br />
geführt. 3. Er hat eine Reihe besser geeignetere Erklärungsfaktoren für die Erhöhung<br />
der Mordrate nicht berücksichtigt.<br />
Jensen stellt fest, dass<br />
1. die Mordrate in dem halben Jahrh<strong>und</strong>ert vor Beginn von Centerwalls Untersuch<br />
ungszeitraum höher war als danach (d. h. sie lag vor Einführung des Fernsehens<br />
höher als hinterher);<br />
2. eine multivariate Analyse unter Einbeziehung weiterer Variablen keinen Einfluss<br />
des Fernsehens auf einen Anstieg der Mordrate 10 bzw. 15 Jahre später zeigt;<br />
3. das Verhältnis von Eheschließungen <strong>und</strong> Ehescheidungen genauso wie Alkohol<br />
missbrauch (operationalisiert über die Zahl der Tode durch Leberzirrhose) einen<br />
geeigneteren Erklärungsfaktor für den Anstieg der Mordrate darstellt.<br />
Jensen folgert daraus, dass es sich beim Zusammenhang zwischen Einführung des Fern<br />
sehens <strong>und</strong> Anstieg der Mordrate um eine Scheinkorrelation handeln muss bzw. das<br />
Fernsehen allenfalls einen indirekten Einfluss als Verursacher einer höheren Schei<br />
dungs- <strong>und</strong> einer höheren Alkoholmissbrauchsrate ausüben könne, wobei letzteres<br />
allerdings einer empirischen Prüfung bedürfte.<br />
➔<br />
171