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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Dementsprechend ist z. B. der Thriller, wie Mikos (2001d, S. 16) herausstellt, ein Genre,<br />
das Angstlust ermöglicht, da es nicht nur negative „Erwartungsaffekte“ 82 wie Angst,<br />
Furcht <strong>und</strong> Schrecken, sondern auch positive wie Hoffnung <strong>und</strong> Zuversicht enthalte.<br />
Damit werde es für den Zuschauer möglich, „negativ bewertete Gefühle wie Angst <strong>und</strong><br />
Furcht lustvoll zu erleben.“ Angstlust wird aber auch schon durch die Tatsache ermög<br />
licht, dass sich der Rezipient nicht selbst in einer gefährlichen Situation befindet, son<br />
dern entsprechende Szenen nur beobachtet. Nach Mikos (2001d, S. 16) gilt: „Aufgr<strong>und</strong><br />
der Tatsache, dass sich die Zuschauer im Kinosessel <strong>und</strong> auf dem heimischen Sofa<br />
sicher fühlen können, haben sie die Möglichkeit, sich lustvoll den Ängsten hinzuge<br />
ben, die die inszenierten Situationen in den Filmen <strong>und</strong> Fernsehsendungen bei ihnen<br />
heraufbeschwören.“<br />
3.2.10 Aggressive Prädispositionen<br />
Das im vorigen Kapitel beschriebene Modell von Grimm eignet sich auch, um das in<br />
vielen Studien beobachtete Phänomen zu erklären, dass sich Individuen, die bereits<br />
violente Prädispositionen besitzen, verstärkt gewalttätigen <strong>Medien</strong>inhalten aussetzen<br />
(vgl. z. B. Aluja-Fabregat 2000; Cantor/Nathanson 1997; Strasburger/Wilson 2002, S. 82;<br />
Kapitel 3.4.3.5, 4.6.1). Die Kausalitätsrichtung des Zusammenhangs zwischen Me<br />
diengewaltkonsum <strong>und</strong> aggressiver Persönlichkeit ist zumeist nicht eindeutig zu be<br />
stimmen, <strong>und</strong> oft wird von einer Wechselwirkung beider Faktoren ausgegangen.<br />
Dass <strong>Medien</strong>gewaltnutzung allerdings nicht unbedingt darauf abzielt, gewalttätiges<br />
Verhalten zu bestärken, legen Grimms Bef<strong>und</strong>e nahe. Grimm (1999, S. 333) fand „ein<br />
deutige Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen aggressiven Dispositionen <strong>und</strong> der<br />
Bevorzugung gewaltthematisierender fiktionaler Genres.“ Noch stärker fielen die Zusam<br />
menhänge mit Reality-TV-Präferenzen 83 aus, die allerdings (ähnlich wie die Zuwen<br />
dungsbereitschaft zu Katastrophen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>nachrichten) zugleich auch mit einer<br />
höheren Aggressionshemmung einhergingen. Gemeinsam mit der <strong>Gewalt</strong>neigung<br />
fand Grimm zudem auch eine Legitimation von Erziehungsgewalt <strong>und</strong> eine starke<br />
Befürwortung ordnungschaffender staatlicher <strong>Gewalt</strong>, die Privatgewalt abschrecken<br />
<strong>und</strong> verhindern soll.<br />
Grimm (1999, S. 377) schließt daraus, dass zwar insgesamt der Eindruck entstehe, „dass<br />
der häufige Spielfilmgewaltkonsum mit einem Geflecht antisozialer Einstellungen<br />
korrespondiert, in dessen Zentrum Aggression <strong>und</strong> Violenz stehen.“ Dies bedeute<br />
82 „Erwartungsaffekte“ sind diffuse, auf die Zukunft bzw. das Eintreten eines Ereignisses gerichtete Gefühle.<br />
Bei der Filmrezeption geht es weniger darum, mit dem sich fürchtenden Helden mitzufühlen, als darum,<br />
dass „im Film mit Hilfe von Dramaturgie <strong>und</strong> Gestaltungsmitteln Situationen aufgebaut werden, die uns<br />
in die Erwartung von Angst, Furcht oder Schreck versetzen [...].“ (Mikos 2001d, S. 16).<br />
83 Interessanterweise galt dies nicht nur für Reality-Sendungen, die Verbrechen oder Unfälle thematisierten,<br />
sondern auch für „gefühlsselige“ Varianten wie „Traumhochzeit“ oder „Bitte melde dich“, was Grimm<br />
(1999, S. 334) mit der Möglichkeit eines „Gefühlsausgleichs“ erklärt. Zur Motivation des Reality-TV-Konsums<br />
vgl. auch Eberle 2000. ➔<br />
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