Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Computerspielen<br />
➔<br />
Schlütz führte zwei empirische Untersuchungen durch, wobei die erste Studie auch die<br />
Internet- <strong>und</strong> Fernsehnutzung einbezog. 247 Als „Probleme“, 248 die eine spielerische<br />
<strong>Medien</strong>nutzung auslösen, erwiesen sich v. a. Langeweile <strong>und</strong> mangelnde Alternativen.<br />
Was die Gratifikationserwartungen 249 an ein bestimmtes Medium betrifft, lag die Stärke<br />
von Bildschirmspielen v. a. auf affektivem Gebiet, d. h. es wurde involvierende Unterhal<br />
tung, spielerischer Wettbewerb, eskapistisches Erleben <strong>und</strong> stimulierende Herausforde<br />
rung erwartet. Diese Erwartungen basierten v. a. auf den Bildschirmspielen eigenen<br />
Eigenschaften der Interaktivität, der „Agency“ 250 <strong>und</strong> des damit zusammenhängenden<br />
„Immersionspotenzials“ (d. h. der Möglichkeit, im Spiel zu „versinken“). Die Motive der<br />
<strong>Medien</strong>nutzung bzw. die gesuchten Gratifikationen 251 erwiesen sich als stark situations<br />
abhängig. Alleinsein förderte eine habituelle Nutzung. Bei Spielen in Gesellschaft<br />
waren die Motive nach Unterhaltung oder Eskapismus ausgeprägt. Anderen Hand<br />
lungsalternativen überlegen waren Bildschirmspiele durch die höhere Aktivität (vergli<br />
chen z. B. mit anderen <strong>Medien</strong>), die sie ermöglichen. Das Verhältnis zwischen organisa<br />
torischem <strong>und</strong> kognitivem Aufwand der Nutzung <strong>und</strong> der erzielten Befriedigung wurde<br />
als ausgewogen wahrgenommen. Geschätzt wurden Flexibilität, Selbstbestimmtheit,<br />
Realitätsferne <strong>und</strong> ihre Eigenschaft als Refugium, das Selbstverwirklichung <strong>und</strong> Flow-<br />
Erlebnisse ermöglicht. Dem entsprachen auch die Erlebnisgratifikationen. 252 Spieler<br />
fühlten sich aktiv, involviert <strong>und</strong> hatten Flow-Erlebnisse.<br />
Die Situation war insofern von Bedeutung, als das Spielen mit anderen als angenehmer<br />
empf<strong>und</strong>en wurde. Das Genre war insofern wichtig, als z. B. „Ballerspiele“ mehr Auf<br />
regung <strong>und</strong> Nervosität hinterließen. Die Diskrepanz zwischen gesuchten <strong>und</strong> erhalte<br />
nen Gratifikationen erwies sich bei Bildschirmspielen als besonders gering (geringer<br />
als beim Fernsehen <strong>und</strong> beim Internet), was Schlütz auf den hohen Grad an Einfluss<br />
möglichkeiten zurückführt. Als zentrale erhaltene Gratifikationen erwiesen sich<br />
„selbstbestimmte Unterhaltung, eskapistisches Erleben (das auch der Befindlichkeits<br />
steuerung dient) [...] sowie stimulierende Herausforderung (mit Autonomie- <strong>und</strong> Kom<br />
petenzaspekten [...].“ (Schlütz 2002, S. 193).<br />
247 An der ersten Studie nahmen 190, an der zweiten 140 vorwiegend männliche Probanden teil. Bei den<br />
Untersuchungen wurde die so genannte „Experience Sampling Method“ angewandt: Nachdem die Probanden<br />
in einer ersten Phase an einer mündlichen Befragung teilgenommen hatten, erhielten sie in einer<br />
zweiten Phase entweder (Studie 1) einen Pager, der sie eine Woche lang täglich mehrfach durch ein Signal<br />
aufforderte, einen sehr kurzen Fragebogen auszufüllen, oder (Studie 2) ihnen wurden zehn Kurzfragebögen<br />
mitgegeben, die sie immer dann ausfüllen sollten, wenn sie Computerspiele spielten. Auf diese Weise<br />
sollten die Informationen zur <strong>Medien</strong>nutzung möglichst situationsnah erfasst werden.<br />
248 Ein „Problem“ ist bei Schlütz (2002, S. 75) ein „bewusst gewordenes Bedürfnis, das in Abhängigkeit von<br />
personalen, strukturellen <strong>und</strong> situativen Faktoren spezifiziert wurde“. Ein „Motiv“ dagegen wird als<br />
„bewusster Handlungsantrieb als Folge eines wahrgenommenen Problems in Verbindung mit dessen<br />
Lösung im Rahmen der gegebenen Situation“ verstanden.<br />
249 „Gratifikationserwartungen“ definiert Schlütz (2002, S. 78) als „abstrakte Vorstellung einer potenziell realisierten<br />
Problemlösung, die gespeist wird von eigenen <strong>Medien</strong>nutzungserfahrungen <strong>und</strong> anderen Informationen<br />
über <strong>Medien</strong>.“<br />
250 Darunter ist zu verstehen, dass die Spieler selbst die Handlung <strong>und</strong> damit auch ihr Spielerlebnis bestimmen.<br />
251 Eine „gesuchte Gratifikation“ ist nach Schlütz (2002, S. 78) „eine konkret angestrebte Problemlösung <strong>und</strong><br />
damit ein Handlungsmotiv, das auf eine zu erhaltende Gratifikation zielt <strong>und</strong> durch Gratifikationserwartungen<br />
beeinflusst wird.“<br />
252 „Erleben“ versteht Schlütz (2002, S. 78) als tätigkeitsimmanente Handlungsfolge, während eine „erhaltene<br />
Gratifikation“ – ebenfalls eine Handlungsfolge – „eine konkret realisierte Problemlösung“, d. h. einen<br />
„Nutzen“, darstellt.<br />
➔<br />
200