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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Zusammenfassung:<br />
Trotz im Detail z.T. widersprüchlicher Bef<strong>und</strong>e kann festgestellt werden, dass die<br />
Kriminalitätsberichterstattung ein verzerrtes Bild der Realität zeichnet, bei dem<br />
insbesondere schwere <strong>Gewalt</strong>taten überrepräsentiert sind. Dies bleibt nicht ohne<br />
Konsequenzen auf die Rezipienten. So fasst Kepplinger (2000, S. 63) die Bef<strong>und</strong>e zur<br />
Risikowahrnehmung der Bevölkerung z. B. dahingehend zusammen, dass die Bevöl<br />
kerung „vor allem jene Gefahren überschätzt, denen sie am unwahrscheinlichsten<br />
zum Opfer fallen wird. Dagegen unterschätzt sie jene Gefahren, denen sie am wahr<br />
scheinlichsten ausgesetzt ist.“ Die auf den Nachrichtenfaktoren (v. a. Negativismus)<br />
basierende Realitätsverzerrung in der Kriminalitätsberichterstattung kann auch<br />
zur Entstehung so genannter „Kriminalitätswellen“ („Crime Waves“) führen <strong>und</strong><br />
bewirken, dass vorgeblich neue <strong>Gewalt</strong>phänomene zu einer neuen Bedrohung<br />
hochstilisiert werden. 58 Konsequenzen einer die Realität verzerrt abbildenden<br />
Berichterstattung sind z. B. in Gestalt eines Einflusses auf die wahrgenommene Wich<br />
tigkeit des Themas Kriminalität (Agenda-Setting-Forschung) 59 <strong>und</strong> v. a. der Auswir<br />
kungen auf die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung (Kultivierungsforschung, vgl.<br />
Kapitel 2.2, 3.3.3) diskutiert worden. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Auswir<br />
kungen der Berichterstattung auf Kriminalitätsopfer („Sek<strong>und</strong>äre Viktimisie<br />
rung“). 60<br />
3.2 Nutzungsmotive<br />
3.2.1 Vorbemerkungen<br />
Dass violente <strong>Medien</strong>inhalte auf viele Rezipienten eine hohe Anziehungskraft ausüben,<br />
ist unbestritten. 61 Weniger Klarheit herrscht allerdings über die Motive der Rezipienten<br />
für die Zuwendung zu gewalttätigen <strong>Medien</strong>inhalten. Dieser Aspekt stellt jedoch ein<br />
wichtiges Thema der <strong>Medien</strong>-<strong>und</strong>-<strong>Gewalt</strong>-Forschung dar, da in der Kenntnis der Zuwen<br />
dungsmotive eine bedeutende Voraussetzung zum Verständnis von Verarbeitungsme<br />
chanismen <strong>und</strong> Wirkungen besteht. Zum Zusammenhang von Nutzungsmotiven <strong>und</strong><br />
<strong>Medien</strong>wirkung konstatiert z. B. Jürgen Grimm (1999, S. 9): „Wirkungsfragen müssen<br />
58 Vgl. z. B. die Betrachtungen von Welch, Price <strong>und</strong> Yankey (2002) zum „Wilding“, einem nach einem Vorfall<br />
1989 von den <strong>Medien</strong> stilisierten Begriff, der sexuelle <strong>Gewalt</strong> einer Gruppe städtischer Teenager<br />
bezeichnet <strong>und</strong> als Gefahr hochgespielt wurde, so dass von einer „Moral Panic“ gesprochen werden kann.<br />
Zu „Kriminalitätswellen“ bzw. „Kriminalitätspaniken“ durch die <strong>Medien</strong> vgl. auch Best 1999; Fishman<br />
1978; Glassner 1999; McCorkle/Miethe 1998; Potter/Kappeler 1998; Surette 1992.<br />
59 Lowry, Nio <strong>und</strong> Leitner (2003) wiesen z. B. darauf hin, dass in den USA Kriminalität in Umfragen im August<br />
1994 zehnmal häufiger als wichtigstes Problem genannt wurde (52 % der Nennungen) als noch im März<br />
1992. Ein Vergleich mit FBI-Statistiken <strong>und</strong> der Nachrichtenberichterstattung des Fernsehens zeigte, dass<br />
die plötzliche Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung weniger auf die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung<br />
als auf die Nachrichtensendungen zurückzuführen war (hier v. a. die Zeit, die Kriminalitätsberichten<br />
gewidmet wurde), wobei allerdings die ausführliche Berichterstattung über den O.J. Simpson-<br />
Fall eine große Rolle spielte.<br />
60 Vgl. dazu Fußnote 43 in diesem Kapitel.<br />
61 Einigkeit herrscht auch darüber, dass die Attraktivität von <strong>Gewalt</strong> von der Art der Darstellung <strong>und</strong> von<br />
Rezipienteneigenschaften abhängt (vgl. zusammenfassend z. B. Strasburger/Wilson 2002, S. 82). ➔<br />
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