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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Computerspiel spielen, stand auch die Option zur Wahl, auf einen Sandsack einzu<br />
schlagen – es war also möglich, der Botschaft Folge zu leisten, wonach Wut <strong>und</strong><br />
Aggression sich angeblich durch das Ausleben von <strong>Gewalt</strong> an leblosen Gegenständen<br />
abreagieren lassen. Es zeigte sich, dass verärgerte Versuchspersonen am häufigsten<br />
den Wunsch äußerten, auf einen Sandsack einzuschlagen, wenn sie zuvor den proka<br />
thartischen Zeitungsartikel gelesen hatten. Sie waren offensichtlich überzeugt wor<br />
den. Die Probanden, die der antikathartischen Botschaft ausgesetzt worden waren,<br />
zeigten wenig Neigung, den Sandsack zu wählen, auch wenn sie verärgert worden<br />
waren. Vergleichbares galt für die neutrale Botschaft.<br />
In einem zweiten Experiment (Bushman/Baumeister/Stack 1999) untersuchten die<br />
Forscher, ob Versuchspersonen die eine prokathartische Botschaft erhalten, im Sinne<br />
einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung nach Ausübung einer „stellvertretenden<br />
Aggression“ (Einschlagen auf einen Sandsack) tatsächlich eine Verminderung ihrer<br />
Wut empfinden <strong>und</strong> demzufolge auch weniger aggressiv handeln. Das Design der<br />
zweiten Studie entsprach der ersten (untersucht wurden 707 Studierende, 350 männlich,<br />
357 weiblich) mit dem Unterschied, dass alle Versuchspersonen verärgert wurden <strong>und</strong><br />
dass sie Gelegenheit erhielten, tatsächlich auf einen Sandsack einzuschlagen (eine<br />
Kontrollgruppe erhielt prokathartische Botschaften, übte aber gar keine Tätigkeit aus).<br />
Danach wurde das Aggressionsverhalten der Probanden gemessen. Hierzu führten die<br />
Versuchspersonen im Wettbewerb mit einer anderen Person einen Reaktionstest<br />
durch, bei dem der Verlierer jeweils mit einem lauten Geräusch bestraft wurde. Laut<br />
stärke (zwischen 60 <strong>und</strong> 105 dB) <strong>und</strong> Dauer des Tons konnten die Versuchspersonen<br />
bestimmen. Einer Gruppe von Versuchspersonen wurde gesagt, ihr „Gegner“ sei die<br />
Person, die ihr Essay negativ bewertet hatte, eine andere glaubte, es handele sich um<br />
eine neutrale Person. Die Forscher nahmen an, dass diejenigen, die von einer katharti<br />
schen Wirkung stellvertretender Aggressionsausübung überzeugt seien <strong>und</strong> zudem<br />
wüssten, dass sie auf eine neutrale Person treffen werden, versuchen würden, ihren<br />
Ärger zuvor abzubauen, d. h. sich besonders zahlreich für die Beschäftigung mit dem<br />
Sandsack entscheiden würden. Allerdings erbrachte das Experiment das Ergebnis, dass<br />
im Gegenteil diejenigen, denen gesagt worden war, sie würden auf die Person treffen,<br />
die sie beleidigt hatte, stärker geneigt waren, vor dem Treffen auf einen Sandsack<br />
einzuschlagen. 86<br />
Das wichtigste Ergebnis der zweiten Studie bestand jedoch darin, dass Personen, die<br />
prokathartische Botschaften lasen, ein verstärktes Bedürfnis verspürten, ihre Wut<br />
durch stellvertretende Aggression abzureagieren. Es zeigte sich aber auch, dass sich die<br />
Versuchspersonen, die ihre Aggression am Sandsack auslebten, anschließend aggressi<br />
ver verhielten als diejenigen, die dies nicht getan hatten. Dies widerspricht der Kathar<br />
sisthese. Die Verfasser (1999, S. 373) konstatieren: „Thus, even the people who were led<br />
86 Dieses Ergebnis widerspricht der Annahme der Autoren, erscheint aber durchaus plausibel. Diejenigen,<br />
die glaubten, auf eine neutrale Person zu treffen, hatten keine weitere Ärger auslösende Situation zu<br />
erwarten, während diejenigen die wussten, dass sie mit jemandem konfrontiert würden, der sie verärgert<br />
hatte, möglicherweise eine höhere Motivation verspürten, ihren Ärger vor der Begegnung in den Griff zu<br />
bekommen. ➔<br />
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