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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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verglichen die Verfasser die Bef<strong>und</strong>e einer Inhaltsanalyse der Presse- (Brosius/Esser<br />
1995a) <strong>und</strong> der Fernsehberichterstattung (Brosius/Esser 1995b; 1996) zu fremdenfeind<br />
lichen Anschlägen <strong>und</strong> zur Zuwanderungsthematik 113 mit den Statistiken der Landes<br />
kriminalämter. Durch den im Zeitablauf erfolgenden Vergleich sollte herausgef<strong>und</strong>en<br />
werden, ob die <strong>Medien</strong> auf die Ereignisse in ihrer Berichterstattung nur reagieren<br />
oder aber ob die Berichterstattung Nachahmungseffekte bewirkt, d. h. ob die Anzahl<br />
fremdenfeindlicher Straftaten nach einer intensiven Berichterstattung über derartige<br />
Delikte ansteigt.<br />
Die Autoren unterschieden dabei zwei Phasen: Die erste Phase von August 1990 bis<br />
September 1992 war von einer allmählichen Zunahme fremdenfeindlicher Straftaten<br />
geprägt. In diese Phase fallen die Ausschreitungen in Hoyerswerda <strong>und</strong> Rostock, die in<br />
den Augen der Straftäter ein „Erfolg“ waren, weil die Asylbewerber in andere Städte<br />
verlegt wurden. Die zweite Phase von Oktober 1992 bis Juli 1993 ist charakterisiert durch<br />
einen deutlichen Anstieg der Anschläge <strong>und</strong> die beiden Brandanschläge in Mölln <strong>und</strong><br />
Solingen. Die Analyse der ersten Phase ergab nach Brosius <strong>und</strong> Esser (1995a, S. 251),<br />
„dass immer dann, wenn das Thema Ausländer in welcher Form auch immer intensiv<br />
berichtet wurde, ein Anwachsen der Straftaten zu verzeichnen war. Das bedeutet, dass<br />
die Berichterstattung über politische Anschläge ebenso weitere Anschläge provozierte<br />
wie die Berichterstattung über politische Aspekte. Wir haben es also mit einem starken<br />
Nachahmungseffekt 114 zu tun, der allerdings nicht auf die Berichterstattung von Straf<br />
taten begrenzt blieb. Das Fernsehen bewirkte also in der ersten Phase bis September<br />
1992 eine Verbreitung von Straftaten. Die These der Brandstiftung durch das Fernse<br />
hen trifft in diesem Falle zu.“<br />
Anders erschien die Situation in der zweiten Phase. Hier hatten die Anschläge (Mölln<br />
<strong>und</strong> Solingen) drei bzw. fünf Tote zur Folge <strong>und</strong> konnten von der rechten Szene nur<br />
bedingt als „Erfolg“ gewertet werden. Die Berichterstattung <strong>und</strong> die Anzahl der Straf<br />
taten entwickelte sich zeitgleich, d. h. die <strong>Medien</strong> reagierten eher auf die Ereignisse<br />
<strong>und</strong> lösten in der zweiten Phase keine Nachahmungstaten aus. Auf eine Ausnahme<br />
wird allerdings verwiesen: Nach Berichten über politische Aspekte des Themas Frem<br />
denfeindlichkeit (Asylrechtsdebatte <strong>und</strong> sonstige politische Aktivitäten) häuften sich<br />
zwei Wochen später die Straftaten (vgl. Brosius/Esser 1995b, S. 252). Im Übrigen stellten<br />
die Autoren fest, dass die seit Oktober 1992 einsetzenden Aktionen gegen Fremden<br />
feindlichkeit (z. B. Lichterketten) nicht zu einem Rückgang der fremdenfeindlichen<br />
Straftaten führten, sondern diese nach dem Brandanschlag von Solingen einen neuen<br />
Höhepunkt erreichten. Brosius <strong>und</strong> Esser (1995b, S. 253) kommentieren: „Die Tatsache,<br />
113 Es wurde eine Inhaltsanalyse der Berichterstattung von „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Süddeutsche<br />
Zeitung“, „Bild-Zeitung“, „Spiegel“, dpa sowie der Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL <strong>und</strong> SAT.1<br />
durchgeführt. Erfasst wurden sechs Themenschwerpunkte: Berichte über 1. fremdenfeindliche Anschläge<br />
<strong>und</strong> Straftaten; 2. Gegenaktionen, d. h. Proteste gegen Fremdenfeindlichkeit wie etwa Lichterketten oder<br />
Demonstrationen; 3. politisches <strong>und</strong> staatliches Handeln wie z. B. Debatten um das Asylrecht, Gesetzesinitiativen,<br />
Verbote rechtsradikaler Gruppierungen usw.; 4. Strafverfolgung; 5. Rechtsradikalismus allgemein<br />
<strong>und</strong> 6. Hintergr<strong>und</strong>informationen zur Ausländer- <strong>und</strong> Asylproblematik.<br />
114 An anderer Stelle (Brosius/Esser 1996, S. 209) modifizieren die Autoren die Interpretation: „Unsere Hypothese<br />
einer Anstiftungswirkung des Fernsehens wurde für die erste Phase des Untersuchungszeitraums<br />
(113 von 157 Wochen) bestätigt. Es gab jedoch keine spezifischen Nachahmungseffekte der Art, dass beispielsweise<br />
die Berichterstattung über Brandanschläge vor allem zu weiteren Brandanschlägen führte.“ ➔<br />
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