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Medien und Gewalt.

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Übersicht Gr<strong>und</strong>lagen<br />

➔<br />

Irgendwann würde ich mit der These der rotierenden Scientologen schließen (ohne<br />

mir sicher zu sein, dass wenigstens diese als Sarkasmus durchschaut wird).“ (Selg 1984,<br />

S. 9). 11 Solche „Frühstücksthesen“ sollen im Folgenden keine Beachtung finden.<br />

Katharsisthese<br />

Anhänger der Katharsisthese, die sich bis auf Aristoteles zurückführen lässt, postulieren<br />

einen Abbau der dem Menschen angeborenen Aggressionsneigung durch den Kon­<br />

sum von <strong>Medien</strong>gewalt. Dadurch, dass <strong>Medien</strong>inhalte dem Rezipienten die Möglich­<br />

keit gäben, <strong>Gewalt</strong>akte an fiktiven Modellen zu beobachten <strong>und</strong> in der Phantasie inten­<br />

siv mitzuvollziehen, nehme die Bereitschaft zu eigenem Aggressionsverhalten ab. 12 Die<br />

Katharsisthese existiert in mehreren Varianten: Zunächst wurde behauptet, dass jede<br />

Form der Phantasieaggression kathartische Effekte bewirken könne. Dann wurde<br />

argumentiert, ein in der Phantasie erfolgendes Mitvollziehen aggressiver Akte redu­<br />

ziere Aggression in der Realität nur dann, wenn der Rezipient emotional erregt oder<br />

gerade selbst zur Aggression geneigt sei. Schließlich wurden inhaltliche Aspekte her­<br />

vorgehoben, <strong>und</strong> es wurde angenommen, dass kathartische Effekte nur dann auftre­<br />

ten, wenn die negativen Folgen von <strong>Gewalt</strong> für das Opfer in aller Ausführlichkeit ge­<br />

zeigt werden. Alle Formen der Katharsisthese können als widerlegt betrachtet werden,<br />

<strong>und</strong> auch einer der Hauptvertreter dieser Wirkungsannahme, Seymour Feshbach,<br />

konzedierte bereits 1989 (S. 71): „Die Ergebnisse zeigen mir, dass die Bedingungen,<br />

unter denen eine Katharsis auftreten kann, nicht alltäglich sind, während die aggressi­<br />

onsfördernden Bedingungen sehr viel häufiger vorkommen.“ Trotz der sehr eindeuti­<br />

gen Forschungslage findet die Katharsisthese allerdings noch immer Anhänger (vgl.<br />

Kapitel 3.3.1).<br />

11 Selg (1998) stellt allerdings auch selbst Thesen vor, die als „Frühstücksthesen“ bezeichnet werden können,<br />

wie die sog. „Risikothese“, die besagt, dass „gewalthaltige <strong>Medien</strong>beiträge das Risiko bergen, die Aggressivität<br />

(<strong>und</strong> oft auch die Ängstlichkeit) gerade bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ansteigen zu lassen.“ (Selg<br />

1998, S. 49). Diese „These“ ist in höchstem Maße unspezifisch, da (mit Ausnahme der Katharsis- <strong>und</strong> der<br />

Inhibitionsthese) alle Wirkungsannahmen von einem gewissen Risiko medialer <strong>Gewalt</strong>inhalte ausgehen.<br />

In eine ähnliche Richtung geht die von Selg ebenfalls vorgestellte „Kompass- Theorie“ von Jo Groebel (1998),<br />

derzufolge die <strong>Medien</strong> dem Rezipienten eine Orientierung bzw. einen Bezugsrahmen bieten, der das eigene<br />

Verhalten bestimme. Als „Frühstücksthese“ läßt sich auch W. James Potters „Lineation Theory“ bezeichnen.<br />

Diese besteht in erster Linie aus vier Axiomen,einer Vorstellung von Schlüsselbegriffen <strong>und</strong> einem<br />

Satz von „Vorschlägen“. Der inkohärente, diffuse Charakter der „Theorie“ kommt schon durch Potters<br />

(1999, S. 225/228) eigene Beschreibung zum Ausdruck: „[...] lineation theory is more than an inventory; it is<br />

a synthesis – not a list – of empirical findings. In addition, it includes my speculations. Some of these speculations<br />

have been suggested by a study or two, but some are logical extensions between two other points<br />

in the theory so as to bridge a gap between them.“ Insgesamt soll der Ansatz folgende Aspekte integrieren:<br />

Herstellung violenter Programme durch die <strong>Medien</strong>industrie, <strong>Medien</strong>inhalte, Wirkung von Inhalten,<br />

verschiedene Verarbeitungsformen von <strong>Medien</strong>botschaften. Die vier Axiome lauten (Potter 1999, S. 211):<br />

„First, we need a broader perspective on the phenomenon itself. Second, we need a broader conceptualization<br />

of the focal constructs of violence and effects. Third, we need an even more multivariate examination<br />

with a focus on probabilistic effects. And fourth, we need to recognize the importance of individual<br />

interpretations.“<br />

12 Anhänger einer „These der kognitiven Unterstützung“ erklären dies damit, dass <strong>Medien</strong>inhalte v. a. für Individuen<br />

mit begrenzten kognitiven Fähigkeiten wichtig seien, um die Phantasie anzuregen <strong>und</strong> so erst die<br />

Voraussetzungen für eine Kontrolle <strong>und</strong> Verschiebung aggressiver Impulse zu schaffen. ➔<br />

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