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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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wichte bestehe (vgl. dazu auch Kapitel 3.3.3), bietet dieses Genre im Sinne der Mood-<br />
Management-Theorie auch furchtsamen Personen (von denen man annehmen sollte,<br />
dass sie Krimis meiden, weil sie ihre Furcht nicht weiter steigern wollen) eine Gratifika<br />
tion, weil es ihnen ein Sicherheitsgefühl vermittelt <strong>und</strong> die Erzählstruktur im Sinne der<br />
Dispositionstheorie besonderen Genuss verspricht.<br />
3.2.8 Gruppenzugehörigkeit <strong>und</strong> Identitätsbildung<br />
Weitere Ansätze betonen die Bedeutung der Peergroups für den <strong>Gewalt</strong>filmkonsum,<br />
v. a. von Jugendlichen. Demnach kann der <strong>Gewalt</strong>filmkonsum auf ein Bedürfnis nach<br />
Gruppenzugehörigkeit zurückgeführt werden, d. h. solche <strong>Medien</strong>inhalte werden<br />
gesehen, um „mitreden“ zu können, 72 nicht als Feigling dazustehen <strong>und</strong> Mut zu bewei<br />
sen. Auch festigt die gemeinsame Rezeption gerade furchterregender Inhalte das<br />
Gemeinschaftsgefühl (vgl. Bonfadelli 2000, S. 242; Cantor 1998b, S. 159f.; Valkenburg/-<br />
Cantor 2000, S. 144, 147). Dabei kann der Konsum brutaler Videos Bestandteil einer<br />
„Jugendkultur“ sein <strong>und</strong> in diesem Rahmen auch als „Protest <strong>und</strong> Abgrenzung gegen<br />
über den Erwachsenen (Eltern <strong>und</strong> Lehrern)“ fungieren (Bonfadelli 2000, S. 242). 73<br />
Waldemar Vogelgesang (2002, S. 185) bezeichnet <strong>Gewalt</strong>videos daher auch als „Provo<br />
kations- <strong>und</strong> Distinktionsmedien“. Vogelgesang (2002, S. 189) hat sich mit jugendlichen<br />
Videocliquen befasst <strong>und</strong> sieht in ihnen auch „Identitätsmärkte, wo Jugendliche frei<br />
vom Routine- <strong>und</strong>/oder Anforderungscharakter ihrer sonstigen Rollenverpflichtungen<br />
Selbstdarstellungsstrategien erproben <strong>und</strong> einüben, sich gleichsam im Gruppen-Spiel<br />
<strong>und</strong> Gruppen-Spiegel ihrer personalen Identität vergewissern können.“<br />
Eine zentrale Rolle in der Entwicklung Jugendlicher weist auch Christian Büttner dem<br />
Konsum von <strong>Medien</strong>gewalt zu. Er sieht darin weniger eine Abgrenzung von der Er<br />
wachsenenwelt als vielmehr eine Art „Übergangsritual“. Büttner (2000, S. 63) schreibt:<br />
„In der Übergangsphase vom Kind zum Erwachsenen hat in allen Kulturen <strong>und</strong> zu allen<br />
Zeiten die Art <strong>und</strong> Weise eine große Rolle gespielt, wie vor allem männliche Jugendli<br />
che ihre Angst beim Schritt in die Welt der Erwachsenen überwinden. Diese Angst<br />
wurde <strong>und</strong> wird besonders effektiv aktualisiert durch die Konfrontation mit Horror <strong>und</strong><br />
<strong>Gewalt</strong>“. Horror- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>filme könnten „Übergangsmedien [...] zu einer Erwachse<br />
nenwelt“ darstellen, „zu der auch gehört, dass es legitimierte Horror- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>filme<br />
sowie Pornos gibt. Und um eine Erwachsenenidentität zu erlangen, muss man sich<br />
72 Wie Ursula Ganz-Blättler (2000) es formuliert, kann eine detaillierte Kenntnis z. B. des Horrorfilm-Genres<br />
als „Statussymbol <strong>und</strong> Shareware“ fungieren. Vgl. dazu auch Götz/Ensinger 2002, S. 35.<br />
73 Karin Hake (2001) (bzw. Birgitte Tufte <strong>und</strong> Ole Christensen in einer von Hake zitierten dänischen Studie)<br />
sprechen in Bezug auf den <strong>Medien</strong>konsum von Kindern von einer Art „Gegenkultur“ zur Erwachsenenkultur.<br />
Hake (2001, S. 437) zieht aus ihrer allerdings nur bei 20 norwegischen Kindern durchgeführten Untersuchung<br />
zu den Programmpräferenzen 5-jähriger folgenden Schluss: „The children seem to stress criteria<br />
of fascination other than those of their parents, and in this way they are creating their own alternative<br />
media culture – a counter-culture.“ ➔<br />
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