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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
➔<br />
dahingehend zu interpretieren, dass die beobachtete Situation (im Fernsehen) durch<br />
Gewöhnung nicht mehr als bedrohlich eingestuft wird. Obwohl die Verfasser ihr Mess<br />
verfahren gründlich herleiten <strong>und</strong> die Herzfrequenz als Indikator auch in vielen ande<br />
ren Studien Verwendung gef<strong>und</strong>en hat, ist diese Vorgehensweise dennoch problema<br />
tisch. Wie im Zusammenhang mit der Computerspielforschung (vgl. Kapitel 4.4.1, 4.5.2)<br />
noch gezeigt wird, bergen viele physiologische Messverfahren Interpretationsproble<br />
me.<br />
Mit diesem Aspekt haben sich auch Roland Mangold u. a. (1998) näher beschäftigt. Die<br />
Autoren (1998, S. 54) verweisen auf das häufig anzutreffende Phänomen, „dass die in<br />
den unterschiedlichen Kanälen registrierten Messwerte nicht kongruent zueinander<br />
verlaufen.“ So kann es z. B. vorkommen, dass zwar die Hautleitfähigkeit als Zeichen für<br />
Erregung ansteigt, die Herzfrequenz jedoch gleich bleibt oder sogar abnimmt. Dies ist<br />
nach Mangold u. a. (1998, S. 54) darauf zurückzuführen, „dass die gemessenen Indikato<br />
ren der elektrodermalen <strong>und</strong> kardiovaskulären Aktivität den Erregungszustand einer<br />
Person nur vermittelt anzeigen.“ 91 Hinzu kommt die Anfälligkeit dieser Messwerte für<br />
Störeinflüsse dritter Variablen wie z. B. der Raumtemperatur. Mangold u. a. (1998, S. 54)<br />
schlagen deshalb vor, zur Beurteilung der Erregung von Rezipienten besser Daten zu<br />
erfassen, die in einem direkteren Zusammenhang mit Erregungsreaktionen in den<br />
„zentralen (übergeordneten) Hirnregionen“ stehen, wie etwa die Blutflussgeschwin<br />
digkeit in den Gehirnarterien, die durch ein spezielles Ultraschallverfahren („transkra<br />
nielle Dopplersonographie“) festgestellt werden kann.<br />
In einer eigenen Untersuchung mit 24 Probanden, die im Abstand von ein bis zwei<br />
Wochen Ausschnitte aus einem Horror- <strong>und</strong> einem Erotikfilm sahen, stellten Mangold<br />
u. a. fest, dass sich die über eine Befragung vor <strong>und</strong> nach der Filmdarbietung erhobene<br />
Veränderung der emotionalen Befindlichkeit (die für den Horrorfilm, nicht jedoch für<br />
den Erotikfilm festgestellt wurde) nicht in einer höheren Herzschlagrate <strong>und</strong> einem<br />
höheren Blutdruck während der Rezeption niederschlugen. Der zerebrale Blutfluss<br />
dagegen war sowohl in der Horror- als auch in der Erotikbedingung während der Film<br />
ausschnitte erhöht <strong>und</strong> ging danach wieder zurück. Die Werte folgten dem Span<br />
nungsbogen der Darstellung, <strong>und</strong> besonders hohe Werte fanden sich während span<br />
nungsgeladener oder besonders gewalttätiger Szenen. Welche Verarbeitungsprozesse<br />
genau durch die erhobenen Messwerte angezeigt wurden, d. h. z. B. ob es sich um eher<br />
kognitive oder eher emotionale Vorgänge handelte, konnte allerdings nicht bestimmt<br />
werden. Dieser Aspekt bedarf noch der weiteren Erforschung. Auch ist unseres Wissens<br />
nach noch keine Anwendung dieses Messverfahrens auf eine Untersuchung von Habi<br />
tualisierungseffekten erfolgt, die Ausführungen von Mangold u. a. ließen ein solches<br />
Forschungsdesign jedoch interessant erscheinen.<br />
91 Zu den konkreten Vorgängen im Nervensystem vgl. Mangold u. a. 1998, S. 54. ➔<br />
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