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Medien und Gewalt.

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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />

➔<br />

beiß (1998, S. 601f.) können empirisch belegen, dass bei Kindern mit Todeserfahrung in<br />

der Familie die Ursache von Angst zweifelsfrei der Erfahrung zugeordnet werden kann<br />

<strong>und</strong> nicht die Folge des Fernsehkonsums ist (1998, S. 602): „Es kann also angenommen<br />

werden, dass nicht der erhöhte Konsum von Krimis [...] zu ihrer Angst geführt hat, son­<br />

dern vielmehr ihre Angst (<strong>und</strong> der Wunsch nach einer kontrollierten Bewältigung)<br />

kausal mit dem Fernsehkonsum zu tun hat.“<br />

Die Thematik der Todeserfahrung steht im Übrigen auch in einem Forschungsprojekt<br />

von Dieter Lenzen (vgl. „Das Problem ist die Kausalitätsannahme“ 2003) im Zentrum. 77 In<br />

Berlin <strong>und</strong> Brandenburg wurden 40 mindestens 18 Jahre alte Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

(zur Hälfte weiblich <strong>und</strong> männlich) ausgewählt, wobei Todeserfahrungen (selbst erlebte<br />

lebensbedrohliche Situationen; Tod von Familienangehörigen, Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekann­<br />

ten) sowie Glaubenshintergründe (transzendente Vorstellungen sowie religiöse <strong>und</strong><br />

liturgische Praxis) berücksichtigt wurden. In Interviews wurde nach Lebens- <strong>und</strong> Glau­<br />

benshintergr<strong>und</strong>, persönlichen Todeserfahrungen, <strong>Medien</strong>erfahrungen (u. a. Nutzung<br />

von Inhalten, die Tod <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> zeigen) <strong>und</strong> <strong>Medien</strong>kompetenz (technische Fertigkei­<br />

ten, Erfahrung mit <strong>Medien</strong>produktion) gefragt. Einige Wochen danach wurden die<br />

Versuchspersonen mit dem Film „Ghost“ 78 konfrontiert, über den sie eine schriftliche<br />

Nacherzählung verfassten. Vier bis fünf Tage später folgte ein weiteres Interview über die<br />

Darstellung von Tod <strong>und</strong> Sterben im Film. Die Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Verarbeitungswei­<br />

sen der Todes- <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>darstellungen wurden mit den Erfahrungen <strong>und</strong> Vorstellun­<br />

gen der Jugendlichen verglichen.<br />

Erste Ergebnisse (der Abschluss der Datenerhebung soll 2004 erfolgen) haben Achim<br />

Hackenberg <strong>und</strong> Daniel Hajok (2002, S. 10) berichtet: „Bereits Jugendliche aus einer<br />

Altersgruppe <strong>und</strong> mit vergleichbarem Bildungshintergr<strong>und</strong> nehmen Todes- <strong>und</strong> Ge­<br />

waltdarstellungen in Filmen sehr verschieden wahr <strong>und</strong> verarbeiten sie unterschied­<br />

lich.“ Selbst eindeutige Filmsequenzen über Töten <strong>und</strong> Sterben werden sehr individuell<br />

wahrgenommen (unterschiedliche Perspektiven z. B. aus der Sicht des Täters oder<br />

Opfers bzw. auch der Blick auf die Folgen) <strong>und</strong> unterliegen bei der Verarbeitung unter­<br />

77 Lenzen ist auch Koautor eines von Barbara Drinck u. a. (2001) verfassten Beitrags, in dem verschiedene Kritikpunkte<br />

gegen die <strong>Medien</strong>wirkungsforschung angeführt werden (2001, S. 5f.): „[...] die Übernahme des<br />

physikalischen Begriffs linearer Wirkung, der aus der Beschreibung der (physikalischen) Kraft übernommen<br />

wurde, die damit verb<strong>und</strong>ene Annahme einer reproduzierbaren Wirkung, die Verobjektivierung des<br />

Rezipienten, dessen Kognition als mediales Wirkungsobjekt konzipiert wird, der Kausalitätsbegriff, die<br />

Unterkomplexität der Variablenisolierung.“ Der Wirkungsforschung im so verstandenen Sinne setzen die<br />

Verfasser ihren Ansatz einer „erziehungswissenschaftlichen <strong>Medien</strong>rezeptionsforschung“ entgegen, die sich<br />

auf individuelle Rezeptionsweisen konzentriere. In der Sprache der Autoren ausgedrückt (2001, S. 9): „In<br />

diesem Theoriekontext wird die Rezeption von ,Wirklichkeit‘, zu der auch die <strong>Medien</strong>wirklichkeit gehört,<br />

als eine Kommunikatbildung <strong>und</strong> Kommunikation von Kommunikaten in einer Verstehenssituation definiert.“<br />

Bei ihrer vehementen Kritik sind die Verfasser mit der tatsächlichen Wirkungsforschung allerdings<br />

offenbar nicht besonders gut vertraut (z. B. ist die sog. „lineare Wirkung“ schon seit den zwanziger Jahren<br />

bzw. den „Payne F<strong>und</strong> Studies“ als widerlegt anzusehen ,vgl. z. B. Kunczik/Zipfel 2001, S. 287ff. <strong>und</strong> Werret<br />

W. Charters betonte schon 1933, S. 16f., identische <strong>Medien</strong>inhalte würden von verschiedenen Rezipienten<br />

unterschiedlich genutzt). Drinck, Lenzen u. a. bauen hier in höchst eigenwilliger Sprache einen Popanz<br />

der Wirkungsforschung auf, um ihren eigenen, in seinen Bef<strong>und</strong>en bislang eher trivialen Ansatz der<br />

„erziehungswissenschaftlichen Rezeptionsforschung“ als „W<strong>und</strong>ermittel“ dagegenzustellen. Vgl. zu<br />

einem ähnlichen Vorgehen auch Fritz 2003d (vgl. Kapitel 4.5.3, 4.6.5).<br />

78 Nach Hackenberg <strong>und</strong> Hajok (2002, S. 9) ist in diesem Film gewaltsamer Tod ein zentrales Thema. Ferner<br />

werden „gängige“ Vorstellungen von Tod, Sterben <strong>und</strong> einem Leben nach dem Tod aufgegriffen. ➔<br />

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