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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Wechselwirkungsprozess vermutlich gegenseitig. Herbert Selg (in: „<strong>Gewalt</strong>verherrli<br />
chung kann gefährlich sein“, 1999, S. 46) meint dazu: „Die erste Dosis wird in der Fami<br />
lie gegeben. Wenn dort keine <strong>Gewalt</strong> stattfindet, dann kann die zweite Dosis – die<br />
<strong>Medien</strong>gewalt – Kinder nicht auf die schiefe Bahn bringen. Wenn aber in der Familie<br />
<strong>Gewalt</strong> vorgelebt wird, wenn zum Beispiel Kindesmisshandlung stattfindet, dann ist<br />
die Gefahr groß, dass solche Kinder, die nicht viel anderes kennen als <strong>Gewalt</strong>, sich eine<br />
Gr<strong>und</strong>haltung aneignen, die dann von den <strong>Medien</strong> verstärkt wird.“<br />
Dass die im direkten sozialen Umfeld erlebte <strong>Gewalt</strong> einen wichtigen Einfluss ausübt,<br />
bestätigt auch eine Studie von Kevin Browne <strong>und</strong> Amanda Pennell (1998). In einer<br />
Untersuchung mit 122 männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 15 <strong>und</strong> 21 Jahren<br />
(54 wegen violenter <strong>und</strong> 28 wegen nicht violenter Straftaten auffällig gewordene<br />
Jugendliche sowie 40 nicht kriminelle Jugendliche) stellten die Verfasser fest, dass die<br />
kriminellen Jugendlichen einen höheren Konsum violenter Filme aufwiesen als die<br />
nicht kriminellen. Die mit violenten Delikten aufgefallenen Jugendlichen besaßen eine<br />
größere Vorliebe für violente Filme als die wegen nicht violenter Delikte aufgefallenen<br />
Personen. Ferner wurde die Bedeutung des familiären Hintergr<strong>und</strong>es betont: Jugendli<br />
che aus violenten Familien waren eher zum Bruch der Gesetze bereit <strong>und</strong> hatten eine<br />
größere Vorliebe für violente Filme als solche, die aus nicht violenten Familien kamen.<br />
Die Autoren vermuten einen Zusammenhang zwischen einem schlechten sozialen<br />
Umfeld, der Bereitschaft, abweichendes Verhalten zu zeigen, <strong>und</strong> der Herausbildung<br />
einer Vorliebe für violente Filme. Der Konsum violenter Filme wiederum könne zu<br />
einer Verstärkung der Disposition führen, Konflikte durch aggressives Verhalten zu<br />
lösen.<br />
Besondere Berücksichtigung fanden Problemgruppen auch in einer Studie von Andre-<br />
as Böttger (1998). Böttger führte qualitative Interviews mit 100 Jugendlichen im Alter<br />
von 15 bis 25 Jahren durch, die er zu ihrem Elternhaus (Erziehungsstil, eventuelle Ge<br />
walthandlungen, soziale Lage der Familie), <strong>Medien</strong>konsum, Schule (Art der dort ausge<br />
übten <strong>Gewalt</strong>) sowie Bedingungen <strong>und</strong> Auswirkungen längerer Haftstrafen (z. B. in<br />
Haftanstalten verübte <strong>Gewalt</strong>, Auswirkungen der Haftbedingungen auf die <strong>Gewalt</strong>be<br />
reitschaft) befragte. Die Jugendlichen wurden in verschiedene Gruppen unterteilt.<br />
Unterschieden wurden gewalttätige Jugendliche, die keiner Jugendgruppe oder<br />
Jugendkultur angehörten; Jugendliche, die sich lokalen Gruppen angeschlossen hat<br />
ten; Hooligans; rechtsextreme <strong>Gewalt</strong>täter; gewalttätige Punks; Jugendliche, die<br />
<strong>Gewalt</strong> legal einsetzten (z. B. als Polizisten oder im Sport) sowie Jugendliche, die keine<br />
<strong>Gewalt</strong> ausübten.<br />
In Bezug auf den Zusammenhang zwischen <strong>Medien</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> stellte sich heraus,<br />
dass Jugendliche, die zu illegaler <strong>Gewalt</strong>ausübung neigten, eine Vorliebe für <strong>Gewalt</strong> im<br />
Fernsehen bzw. in Videos hatten. Allerdings gab es auch viele Jugendliche, die <strong>Medien</strong><br />
gewalt ablehnten (weil sie sie nichts sagend oder abstoßend fanden oder solche <strong>Medien</strong><br />
als zu „bürgerlich“ ablehnten). Zentral ist der Bef<strong>und</strong>, dass ein Erziehungsstil der<br />
Eltern, der <strong>Gewalt</strong>akzeptanz bei den Jugendlichen fördert, neben <strong>Gewalt</strong>anwendung<br />
auch Interesse an medialen <strong>Gewalt</strong>darstellungen hervorrufen kann. Zudem zeigte<br />
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