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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
➔<br />
schon deshalb im Zusammenhang mit Motivationsfragen diskutiert werden, da nur<br />
derjenige, der die Anziehungskräfte der Fernsehgewalt zutreffend zu beurteilen ver<br />
mag, imstande ist, etwaige Wirkungsrisiken aufzufangen. Ohne Zuwendungsattrakti<br />
vität keine Rezeption, ohne Rezeption keine Wirkung von Fernsehgewalt.“<br />
Auf dem Gebiet der Nutzungsmotive besteht allerdings bislang noch erheblicher<br />
Forschungsbedarf. 62 Es existiert zwar eine Vielzahl von Überlegungen, eine empirisch<br />
tragfähige Prüfung steht in den meisten Fällen allerdings noch aus. Im Folgenden<br />
werden diese Annahmen über Funktionen <strong>und</strong> Motive des <strong>Gewalt</strong>filmkonsums – incl.<br />
dazu vorhandener aktueller Studien – zusammengestellt (zu einem Überblick vgl. z. B.<br />
Gleich 2004; Goldstein 1998a; 1998b; Sparks/Sparks 2000; Tamborini 2003; Zillmann<br />
1998b).<br />
3.2.2 Ästhetische Funktionen von <strong>Gewalt</strong>darstellungen<br />
Einige anthropologisch orientierte Ansätze gehen von der Annahme aus, dass <strong>Gewalt</strong><br />
für den Menschen einen sensorischen Reiz besitzen kann, d. h. <strong>Gewalt</strong>szenen unabhän<br />
gig vom Kontext durch Geräusche, Bewegungen, Farben usw. als angenehme Sinnes<br />
eindrücke wahrgenommen werden. Diese Überlegungen sind empirisch genauso<br />
wenig belegt wie die „Ästhetische Theorie der Zerstörung“, derzufolge Akte der Zerstö<br />
rung beim Rezipienten ein ästhetisches Vergnügen auslösen sollen (vgl. dazu Sparks/<br />
Sparks 2000, S. 75f.; zu einer kritischen Sicht dieses Ansatzes vgl. Zillmann 1998b,<br />
S. 182f.).<br />
In eine ähnliche Richtung gehen Überlegungen von Thomas Hausmanninger (2002),<br />
der eine „Systematische Theorie des Vergnügens an gewalthaltigen Filmen“ entwickelt<br />
hat. Das Vergnügen bei der Wahrnehmung gewalttätiger Inhalte entsteht nach Haus<br />
manninger (2002, S. 235) v. a. dann, wenn die Rezeption „zweckfrei, entlastet von der<br />
Einbindung in funktionale Prozesse der Welt- <strong>und</strong> Lebensbewältigung stattfinden“<br />
könne. Die Basis des Vergnügens sei die so genannte „Funktionslust“ des Rezipienten,<br />
d. h. die „Lust am Funktionieren unseres psychophysischen ,Apparats‘, die unsere<br />
Wahrnehmung <strong>und</strong> die davon stimulierten psychophysischen Aktivationen begleitet.“<br />
(Hausmanninger 2002, S. 235). Die Funktionslust kann sich auf drei Ebenen beziehen,<br />
die sensomotorische Ebene (Lust am Funktionieren des Körpers <strong>und</strong> der Sinne), die<br />
emotionale Ebene (Lust am Empfinden von Gefühlen) sowie die kognitive Ebene (Lust<br />
am Funktionieren intellektueller Fähigkeiten). Auf der sensomotorischen Ebene spreche<br />
insbesondere „Action“ durch Farben, Bewegungen, Geräusche usw. die Sinne an. 63<br />
62 Vgl. dazu z. B. Goldstein 1998a, S. 1; Sparks/Sparks 2000 <strong>und</strong> Valkenburg/Cantor 2000, S. 135, die in Bezug<br />
auf Kinder konstatieren: „In academic circles, there has been very little systematic research on children’s<br />
opinions about and preferences for television entertainment programs, and no reviews organizing the<br />
existing literature.“<br />
63 Zum sinnlichen Vergnügen an der <strong>Gewalt</strong> in Actionfilmen vgl. auch Mikos (2001b, S. 17), der meint: „Actionsequenzen<br />
faszinieren, weil sich die Zuschauer im Moment der Action dem Rausch der Bilder <strong>und</strong> der<br />
Bewegung hingeben können, ohne auf Logik <strong>und</strong> Kausalität der Handlung oder die psychologisch<br />
genaue Konstruktion der Charaktere achten zu müssen.“ ➔<br />
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