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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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Zusammenfassung:<br />
Jüngere Forschungsbef<strong>und</strong>e haben Hinweise auf eine mögliche Desensibilisierung<br />
durch den Konsum von <strong>Medien</strong>gewalt erbracht. Dennoch kann die Habitualisierungs<br />
these – trotz häufiger gegenteiliger Behauptungen – noch nicht als überzeugend nach<br />
gewiesen betrachtet werden. Dies liegt neben der geringen Zahl von Untersuchungen<br />
auch an methodischen Problemen bei der Interpretation physiologischer Messdaten.<br />
Neue Verfahren, die sich mit der Messung der Gehirntätigkeit während der <strong>Medien</strong>ge<br />
waltrezeption befassen <strong>und</strong> daher auch für die Erforschung von Habitualisierungsvor<br />
gängen interessant sein könnten, befinden sich noch im Anfangsstadium.<br />
3.3.3 Kultivierung<br />
Die Kultivierungsthese geht von der Annahme aus, dass ein hoher Fernsehkonsum<br />
langfristig das Weltbild von Vielsehern in Richtung der „Fernsehrealität“ prägt (vgl.<br />
Kapitel 2.2). In ihrer Meta-Analyse von Kultivierungsstudien der letzten zwanzig Jahre<br />
kommen James Shanahan <strong>und</strong> Michael Morgan (1999, S. 135) zu dem Schluss, dass die<br />
Kultivierungsthese insgesamt eine breite Bestätigung erfahren habe. Sie konzedieren<br />
allerdings (1999, S. 137–141), dass es offensichtlich noch nicht genügend erforschte<br />
Drittvariablen gibt, die zu sehr unterschiedlich ausgeprägten Kultivierungseffekten<br />
führen, <strong>und</strong> dass der Kausalzusammenhang der verschiedenen Variablen bei der<br />
Kultivierung noch nicht eindeutig bestimmt ist (so ist es z. B. auch möglich, dass nicht<br />
ein hoher Fernsehkonsum Angst bewirkt, sondern ängstliche Menschen der gefährli<br />
chen Welt ausweichen, indem sie zu Hause bleiben <strong>und</strong> dort viel fernsehen).<br />
Die Kausalitätsproblematik hängt mit methodischen Schwierigkeiten zusammen.<br />
Michael Schenk (2002, S. 565) sieht die Kultivierungsthese als Beispiel dafür, wie schwie<br />
rig es ist, ein plausibles theoretisches Konzept in empirisch prüfbare Hypothesen zu<br />
überführen: „Kaum jemand wird bestreiten, dass das Fernsehen – gerade in den USA –<br />
wohl in der Tat einen starken Einfluss auf nahezu sämtliche Verhaltensbereiche des<br />
Rezipienten ausübt. Möglicherweise trägt es sogar zum geistig politischen Niedergang<br />
einer Gesellschaft bei. Der entsprechende empirische Nachweis ist jedoch nur schwer zu<br />
erbringen.“ Das methodische Instrumentarium der Sozialwissenschaften sei innerhalb<br />
eines derart komplexen Wirkungszusammenhanges wie dem zwischen Fernsehrezep<br />
tion <strong>und</strong> Einstellung nicht in der Lage, Kausalbeziehungen nachzuweisen.<br />
Mit der methodischen Problematik von Kultivierungsstudien haben sich auch Constan<br />
ze Roßmann <strong>und</strong> Hans-Bernd Brosius (2001) ausführlicher befasst. Die Autoren betrach<br />
ten die Eignung verschiedener Forschungsmethoden zur Untersuchung der Kausalität<br />
in Kultivierungsstudien <strong>und</strong> kommen zu folgendem Ergebnis:<br />
Laborexperimente sind aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass hier nur kurzfristige Effekte gemes<br />
sen werden, Kultivierungseffekte aber langfristig sind, keine geeignete Methode. Sie<br />
können allerdings, wie noch zu zeigen ist, „Teilaspekte, Randbedingungen oder inter<br />
venierende Variablen“ (Roßmann/Brosius 2001) untersuchen.<br />
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