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Medien und Gewalt.

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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />

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Einen weiteren interessanten Ansatz verfolgt John P. Murray (1998, S. 397–400; 2001;<br />

2003a; 2003b, S. 153–155), der sich mit der Messung neurologischer Prozesse bei der<br />

<strong>Gewalt</strong>wahrnehmung beschäftigt <strong>und</strong> physiologische, sozioemotionale (z. B. Gesichts­<br />

ausdruck) <strong>und</strong> Daten zur Gehirnaktivität miteinander vergleicht. Murray (2001) <strong>und</strong><br />

sein Forschungsteam untersuchten mittels funktioneller Kernspintomographie acht<br />

Kinder (fünf Jungen, drei Mädchen im Alter zwischen 8 <strong>und</strong> 13 Jahren), während sie je<br />

zwei dreiminütige violente bzw. nichtviolente Filmausschnitte <strong>und</strong> zwei neutrale<br />

Standbilder (ein weißes Kreuz auf einem blauen Bildschirm) sahen. Dabei stellten sie<br />

fest, dass <strong>Medien</strong>gewalt Hirnregionen aktiviert, die mit Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Erre­<br />

gung, der Erkennung von Bedrohungen <strong>und</strong> der langfristigen Speicherung von Bedro­<br />

hungssituationen im Gedächtnis sowie mit Bewegungsprogrammen in Verbindung<br />

stehen. Murray (2003a) konstatiert: „In summary, the results of our initial, and very<br />

limited, study of children’s brain activations while viewing entertainment video violen­<br />

ce, suggest that the violence is arousing, engaging, and is treated by the brain as a real<br />

event that is threatening and worthy of being stored for long-term memory in an area<br />

of the brain that makes ,recall‘ of events almost instantaneous.“ Eine Untersuchung<br />

von Desensibilisierungsprozessen durch die Anwendung dieses Forschungsdesigns auf<br />

Kinder mit unterschiedlichen <strong>Gewalt</strong>erfahrungen ist in Planung (Murray 2001). 92<br />

Bef<strong>und</strong>e zur Habitualisierung haben auch drei Experimente von Jürgen Grimm (1999)<br />

mit unterschiedlichen <strong>Medien</strong>inhalten (Kampfsportfilme, „Rambo“-Ausschnitte <strong>und</strong><br />

dem Spielfilm „Savage Street“ mit <strong>Gewalt</strong> zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen) erbracht. 93<br />

Aus seinen Bef<strong>und</strong>en folgert Grimm (1999, S. 719): „Die Sozialverträglichkeit von Spiel­<br />

filmgewalt ist in emotionaler Hinsicht insofern problematisch, als durch die Rezeption<br />

von <strong>Gewalt</strong>sequenzen das Einfühlungsvermögen der Zuschauer verringert wird. Insbe­<br />

sondere die Vorführung ,schmutziger‘ <strong>Gewalt</strong> am Filmende, die keine weitere Relativie­<br />

rung erfährt, beeinträchtigt die Phantasietätigkeit <strong>und</strong> das momentane Mitleidenkön­<br />

nen des Publikums.“ Alle drei Experimente zeigten antiempathetische Effekte der<br />

jeweils untersuchten <strong>Medien</strong>inhalte. Grimm (1999, S. 719) sieht dahinter einen Schutz­<br />

mechanismus, mit dem sich „die Rezipienten gegen ,Angriffe‘ der Filmvorlage auf ihre<br />

körperliche Befindlichkeit schützen.“ Hierbei handelt es sich allerdings nicht nur um<br />

einen schädlichen Effekt, denn gemeinsam mit der Empathie verringerte das Ansehen<br />

der <strong>Gewalt</strong>szenen auch den „Einfühlungsstress“ <strong>und</strong> die „Neigung zur unkontrollierten<br />

Gefühlsüberflutung“, die emotionsbedingte Fehlreaktionen <strong>und</strong> eine Lähmung der<br />

Handlungsfähigkeit (z. B. in Bezug auf die Hilfeleistung bei Unfällen) zur Folge haben<br />

kann.<br />

92 Zu einer weiteren Untersuchung der Gehirntätigkeit bei der Rezeption von <strong>Medien</strong>gewalt vgl. die Studie<br />

von Mathews 2002 (vgl. Kapitel 3.4.3.5).<br />

93 Zum genauen Forschungsdesign vgl. Kapitel 3.4.2.3, 3.4.2.4. ➔<br />

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