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Medien und Gewalt.

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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />

➔<br />

Fokus des Interesses getreten. Durch die Rückführung des Wortes auf seine ursprüngliche<br />

Bedeutung haben einige Autoren zu eruieren versucht, welches noch unausgeschöpfte<br />

Potential ein auf seine Wurzeln zurückgeführtes Katharsiskonzept für die <strong>Medien</strong>wir­<br />

kungsforschung aufweist.<br />

So konstatierten Burkhard Freitag <strong>und</strong> Ernst Zeitter (1999a), „Katharsis“ sei in der <strong>Gewalt</strong>­<br />

wirkungsforschung ausschließlich für aggressionsmindernde Wirkungen des <strong>Medien</strong>­<br />

konsums verwendet worden, die gestalterischen Merkmale der medialen Darstellung<br />

hätte man jedoch vernachlässigt. Im Rahmen der <strong>Gewalt</strong>wirkungsforschung gehe man<br />

davon aus, so Freitag <strong>und</strong> Zeitter (1999a, S. 25), „dass durch <strong>Medien</strong>genuss nur Stimmun­<br />

gen <strong>und</strong> Gefühle abgebaut werden können, die die Zuschauer bereits haben.“ Die Tragö­<br />

die aber rufe Gefühle zunächst erst einmal hervor. Für Aristoteles sei es unerheblich gewe­<br />

sen, wie die Zuschauer vor dem Betrachten der Tragödie gestimmt waren. Auch habe sich<br />

die Wirkungsforschung auf aggressive Stimmungen beschränkt, wohingegen bei Aristo­<br />

teles Furcht <strong>und</strong> Mitleid im Zentrum gestanden haben. Ferner gehe die Forschung davon<br />

aus, dass aggressiv gestimmte Zuschauer sich genau so fühlten wie aggressive Darsteller.<br />

Aber zwischen den Gefühlen der Zuschauer <strong>und</strong> denen der dargestellten Handelnden in<br />

einer Tragödie bestünden Differenzen, „denn schließlich soll das Betrachten ja auch eine<br />

Form des Genusses sein.“ (Freitag/Zeitter 1999a, S. 26). In der Forschung werde ferner<br />

unterstellt, dass die Handlungen der Darsteller genau den Handlungsneigungen der<br />

Zuschauer entsprechen würden, aber die Wirkung der Tragödie beruhe nicht auf dieser<br />

Annahme. Auch die Reduktion des Katharsiskonzepts auf kurzfristige Verhaltensände­<br />

rungen entspreche nicht der aristotelischen Konzeption, die eine innere Befindlichkeit<br />

bzw. Stimmung meine. Freitag <strong>und</strong> Zeitter (1999a, S. 26) schlussfolgern: „Warum katharti­<br />

sche Effekte ausschließlich bei medialen <strong>Gewalt</strong>darstellungen geprüft worden sind, ist,<br />

geht man von Aristoteles aus, kaum nachvollziehbar.“ Durch die „ausschließliche Konzen­<br />

tration auf (momentane) Aggressionen kommt die Möglichkeit läuternder, also purifika­<br />

tiver <strong>Medien</strong>wirkungen noch nicht einmal ansatzweise in den Blick.“ (Freitag/Zeitter<br />

1999a, S. 26). Insbesondere wird auf den Katharsisbegriff von Gotthold Ephraim Lessing<br />

(1729–1781) verwiesen, der in der „Hamburgischen Dramaturgie“ (1767–1769) darunter<br />

eine durch das Ansehen von Tragödien bewirkte Reinigung von einem Übermaß an<br />

Furcht <strong>und</strong> Mitleid verstand, die in tugendhafte Fertigkeiten verwandelt würden. Durch<br />

den engen Katharsisbegriff der <strong>Gewalt</strong>wirkungsforschung sei der Blick auf negative<br />

Darstellungen <strong>und</strong> Wirkungen gelenkt worden, wohingegen Aristoteles (<strong>und</strong> Lessing) die<br />

positiven Wirkungen betont hätten. Deshalb, so Freitag <strong>und</strong> Zeitter (1999a, S. 27), „sind die<br />

medienpädagogischen Aspekte der Katharsis, die Festigung einer moralischen Haltung<br />

beim Zuschauer oder auch nur seine befreiende Entlastung, ohne empirischen Boden<br />

geblieben.“ Die künftige Forschung müsse die dramaturgische Qualität berücksichtigen.<br />

Es sei z. B. zu prüfen, ob ein inhaltlich bzw. dramaturgisch gut gemachter Film im Ver­<br />

gleich zu inhaltsähnlichen, schlecht gemachten Filmen zu anderen Wirkungen führe. In<br />

diesem Kontext wäre auch nach der Art der Katharsis zu fragen (Freitag/Zeitter 1999a,<br />

S. 27): „Stellen sich eher purgative oder eher purifikative Wirkungen 85 ein – oder vielleicht<br />

beides?“<br />

85 Purifikation meint reinigende Läuterung <strong>und</strong> Purgation eine erleichternde Entladung. ➔<br />

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