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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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3.4.2.4 Darstellung negativer Konsequenzen für das Opfer<br />
Auf den ersten Blick ambivalent sind die Bef<strong>und</strong>e zum Zusammenhang zwischen einer<br />
deutlichen Präsentation negativer Folgen von <strong>Gewalt</strong> für das Opfer <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> beim<br />
Rezipienten. Auf der einen Seite gibt es Untersuchungen, die einen Anstieg der Aggres<br />
sion nach der Konfrontation mit Schmerz <strong>und</strong> W<strong>und</strong>en von <strong>Gewalt</strong>opfern festgestellt<br />
haben (allerdings gingen diese Effekte meist mit einer ohnehin vorhandenen Aggressi<br />
onsneigung <strong>und</strong> weiteren aggressiven Schlüsselreizen einher). Folgt man den Annah<br />
men der Habitualisierungsthese, so sind von solchen Darstellungen zudem langfristig<br />
Abstumpfungseffekte zu erwarten, die die Hemmschwelle zur eigenen <strong>Gewalt</strong>anwen<br />
dung senken können. Betrachtet man schließlich als weitere Wirkungsform die Furcht<br />
reaktionen der Rezipienten, so ist davon auszugehen, dass die deutliche Darstellung<br />
negativer Konsequenzen von <strong>Gewalt</strong> für das Opfer die Angst der Zuschauer steigern<br />
kann.<br />
Auf der anderen Seite sprechen die Ergebnisse diverser Studien dafür, dass vom Leiden<br />
des Opfers eine abschreckende Wirkung ausgeht, indem Mitgefühl erregt <strong>und</strong> soziale<br />
Normen wieder ins Gedächtnis gerufen werden (vgl. dazu auch Kapitel 10.2). Hogben<br />
(1998; vgl. Kapitel 3.5.3) fand in seiner Meta-Analyse z. B., dass <strong>Gewalt</strong>, deren Konse<br />
quenzen als unrealistisch gering präsentiert werden, stärkere Effekte auf die nachfol<br />
gende Aggression der Rezipienten hatte als <strong>Gewalt</strong>, deren Konsequenzen in realisti<br />
scher Weise gezeigt wurden. Als Indikator für einen solchen Effekt von Opferdarstel<br />
lungen wird gerne auch die Tatsache herangezogen, dass in Japan eine geringere<br />
<strong>Gewalt</strong>rate herrscht, obwohl das Fernsehen sehr violent ist. Allerdings werden im<br />
japanischen Fernsehen die Folgen der <strong>Gewalt</strong> für das Opfer <strong>und</strong> dessen Leiden meist<br />
sehr ausführlich gezeigt (vgl. Kodaira 1998, S. 101; Michaelis 2000; Strasburger/Wilson<br />
2002, S. 111f.).<br />
Ein wichtiger Erkenntnisfortschritt in Bezug auf die Wirkung von Opferdarstellungen<br />
wurde durch Forschungsbef<strong>und</strong>e von Grimm (1999) erzielt, der die Effekte der Aggres<br />
sionsauslösung <strong>und</strong> der Angststeigerung nicht als getrennte Phänomene behandelt,<br />
sondern in ihrem Zusammenwirken betrachtet. Grimm (1999, S. 707) geht auf Basis<br />
seiner experimentellen Bef<strong>und</strong>e von einer „Prädominanz der Opferperspektive“ aus, „die<br />
die spontanen Erstemotionen – Angst <strong>und</strong> Einfühlungsstress – beherrscht <strong>und</strong> erst<br />
nachträglich durch Täteridentifikation überformt wird.“ Der Opferstandpunkt sei bei<br />
der Rezeption von Spielfilmgewalt der eigentliche Ausgangspunkt von Wirkungspro<br />
zessen <strong>und</strong> dessen unterschiedliche Wahrnehmung sei für die Erklärung von Wir<br />
kungsunterschieden entscheidend (vgl. auch Kapitel 3.3.8).<br />
Über drei von ihm durchgeführte Experimente hinweg konnte Grimm (1999) im<br />
Durchschnitt der Versuchspersonen keine Aggressionssteigerung oder zunehmende<br />
<strong>Gewalt</strong>legitimation nach der Filmrezeption konstatieren. Vielmehr kam es zu einer<br />
zumindest kurzfristigen Aggressionsreduzierung, die für verschiedene Altersgruppen<br />
<strong>und</strong> beide Geschlechter festzustellen war. Grimm (1999, S. 717) meint, die <strong>Gewalt</strong>dar<br />
stellungen hätten v. a. Angst erzeugt, die die „Reaktanz des Publikums gegenüber<br />
aggressiven <strong>und</strong> gewalttätigen Verhaltensweisen anregt <strong>und</strong> in vielen Fällen gewalt<br />
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