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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Computerspielen<br />
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Ob es zu einem Transfer z. B. zwischen Spielwelt <strong>und</strong> realer Welt kommt <strong>und</strong> die trans<br />
ferierten Inhalte dann auch verhaltenswirksam werden, hängt davon ab, wie die nor<br />
malerweise stattfindende „Adäquanzprüfung“ des Bewusstseins ausfällt. Normaler<br />
weise werden unangemessene Transfers durch diese „Transferkontrolle“ verhindert.<br />
Finden sie doch statt, so hat nach Fritz die „Rahmungskompetenz“ versagt, d. h. die<br />
Fähigkeit, Reizeindrücke dem richtigen Zusammenhang bzw. der richtigen „Welt“<br />
(reale Welt, virtuelle Welt) zuzuordnen <strong>und</strong> dementsprechend auf die richtigen Wahr<br />
nehmungs- <strong>und</strong> Verhaltensschemata zugreifen zu können.<br />
Fritz (2003d, o.S.) sieht den Fortschritt seines Modells darin, dass „das Konstrukt des<br />
‘Transfers’“ besser als der seiner Ansicht nach „fruchtlos gewordene Begriff der<br />
‘<strong>Medien</strong>wirkung’ in der Lage sei, die Austauschprozesse zwischen Individuen <strong>und</strong><br />
<strong>Medien</strong> in den Blick zu nehmen. ‘Transfer’ erfasst präziser <strong>und</strong> differenzierter, was sich<br />
im Individuum vor, während <strong>und</strong> nach der <strong>Medien</strong>nutzung abspielen kann.“ Fritz hat<br />
sicher recht mit seiner Forderung, die Interaktion von Rezipient <strong>und</strong> Computerspiel<br />
<strong>und</strong> die im Rezipienten ablaufenden Prozesse zu berücksichtigen <strong>und</strong> nicht pauschal<br />
nach den Wirkungen von Computerspielen zu fragen. Mit seinem Transfermodell hat<br />
er ein begriffliches Instrumentarium zur Unterscheidung verschiedener Transferebe<br />
nen <strong>und</strong> -formen erarbeitet, das zu einer differenzierteren Erfassung von Transferpro<br />
zessen hilfreich sein könnte. Allerdings werden in seinem Modell letztlich nur alte,<br />
auch von der „<strong>Medien</strong>wirkungsforschung“ erkannte (<strong>und</strong> z. B. von der Lerntheorie<br />
berücksichtigte) Probleme mit anderen Worten neu formuliert. Die genauen Abläufe<br />
eines Transferprozesses <strong>und</strong> insbesondere die Faktoren, die die Transferkontrolle <strong>und</strong><br />
die Rahmungskompetenz außer Kraft setzen, sind damit – wie auch Fritz zugibt – noch<br />
lange nicht geklärt. Im Rahmen des Transfermodells bislang erzielte empirische Ergeb<br />
nisse basieren lediglich auf einigen wenigen qualitativen Interviews, 270 die sich, wie<br />
Fritz (2003d) konzediert, auch nicht eignen, um unbewusst ablaufende Prozesse zu<br />
untersuchen.<br />
Gestützt auf die theoretischen Annahmen von Fritz vertritt Manuel Ladas (2002; 2003)<br />
die Position, dass zwischen realer <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> medialer <strong>Gewalt</strong>, insbesondere <strong>Gewalt</strong> in<br />
Computerspielen, so viele Unterschiede bestehen würden, dass Transfereffekte, wenn<br />
auch nicht unmöglich, so doch sehr unwahrscheinlich seien. In Computerspielen<br />
werde fast ausschließlich „saubere“ <strong>Gewalt</strong> gezeigt. Daher würden Spiele generell als<br />
weniger bedrohlich, angsterregend <strong>und</strong> spannend empf<strong>und</strong>en als z. B. gewalthaltige<br />
Filme. Oft wirke <strong>Gewalt</strong> im Computerspiel sogar eher lustig. Dies hänge mit der techni<br />
schen <strong>und</strong> stilistischen Umsetzung der <strong>Gewalt</strong> zusammen, die mit eher künstlichen<br />
bzw. comichaften Darstellungen einhergehe. Computerspiel-<strong>Gewalt</strong> werde „entweder<br />
extrem vereinfacht (z. B. verschwinden die Figuren in diversen Spielen umgehend nach<br />
ihrem virtuellen Ableben) oder durch massive <strong>und</strong> unrealistische Explosions-, Blut-<br />
<strong>und</strong> Splattereffekte bis ins Satirische überzeichnet [...].“ (Ladas 2002, S. 147). Dies stehe<br />
270 Vgl. dazu z. B. Witting/Esser 2003. ➔<br />
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