Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
➔<br />
bezogener Genres geringere Kultivierungseffekte aufwies als die Nutzung des Gesamt<br />
fernsehens. Diese Bef<strong>und</strong>e sprechen dagegen, dass der Kultivierung ein einfacher<br />
Internalisierungsprozess zugr<strong>und</strong>e liegt. Es stellt sich daher die Frage, „welche sonsti<br />
gen Prozesse die Kultivierung verursachen, bedingen <strong>und</strong> abschwächen.“ (Bilandzic<br />
2002, S. 61).<br />
Zur Beantwortung dieser Frage greift die Autorin auf die Bef<strong>und</strong>e Shrums zur Rolle des<br />
Quellenvergessens, des Involvements des Rezipienten <strong>und</strong> der Lebhaftigkeit der Infor<br />
mationen im Kultivierungsprozess zurück. Zentral ist in diesem Zusammenhang insbe<br />
sondere die Erkenntnis, dass Menschen Fernsehinhalte dann nicht zur Beurteilung der<br />
Realität heranziehen, wenn ihnen die Quelle dieser Informationen bewusst ist. Biland<br />
zic (2002, S. 62) leitet aus diesen Überlegungen <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>en folgende These ab: „Kul<br />
tivierungseffekte sollten also eher auftreten, wenn die Quelle vergessen wird. Häufige<br />
Rezeption, Involvement <strong>und</strong> Lebhaftigkeit der Information bewirken auch ein besseres<br />
Behalten der Quelle <strong>und</strong> sollten somit Kultivierungseffekte senken.“<br />
In Krimis sind besonders viele gewalt- <strong>und</strong> verbrechensbezogene Inhalte vorhanden,<br />
die durch Vielseher dieses Genres folglich auch besonders gut in Erinnerung behalten<br />
werden sollten. Bilandzic geht von der – nicht ganz zwingenden 103 – These aus, dass die<br />
Häufigkeit der Krimirezeption auch die Erinnerung an die Quelle der Information<br />
beeinflusst, so dass Vielseher von Krimis sich der Realitätsferne medialer Informatio<br />
nen bewusst sind <strong>und</strong> diese nicht in ihr Urteil über die Wirklichkeit einfließen lassen.<br />
In einer schriftlichen Befragung von 319 Versuchspersonen bestätigten sich die frühe<br />
ren, gegen einen einfachen Internalisierungsprozess sprechenden Bef<strong>und</strong>e: Die Krimi<br />
nutzung hatte auf alle Kultivierungsindikatoren einen schwächeren bzw. einen negati<br />
veren Einfluss als die Nutzung des Gesamtprogramms. Nicht bestätigen konnte die For<br />
scherin jedoch einige ihrer Alternativerklärungen. So fand sich keine Unterstützung<br />
für die Annahme, dass die Intensität der Kriminutzung (operationalisiert als Involve<br />
ment während der Rezeption <strong>und</strong> Aktivität nach der Rezeption, d. h. Nachdenken <strong>und</strong><br />
Reden über den Krimi, Bindung an das Krimigenre <strong>und</strong> Selbsteinschätzung als Krimi<br />
fan) Kultivierungseffekte abschwächt (da die Quelle der Information besser erinnert<br />
werde). Die Hypothese, dass die Häufigkeit der Kriminutzung (über bessere Quellener<br />
innerung) die Übertragung (auch besonders gut erinnerter) lebhafter Krimi-Informa<br />
tionen auf die Realität abschwächt, wurde nicht widerlegt. Es zeigte sich zumindest,<br />
dass lebhafte Aspekte der Polizeiarbeit um so eher als auf die Realität zutreffend wahr<br />
genommen wurden, je weniger Krimis rezipiert wurden. Bilandzic (2002, S. 67) folgert:<br />
„Dieses Ergebnis ist konsistent mit der Annahme, dass Lebhaftigkeit einer Information<br />
auch bei seltener Rezeption bessere Erinnerungsleistung bewirkt <strong>und</strong> die Quelle den<br />
noch vergessen wird.“ Eine zwingende Bestätigung für die Rolle der Quellenerinne<br />
rung ist allerdings aus diesem Bef<strong>und</strong> nicht abzuleiten.<br />
So bleibt letztlich aus dieser Untersuchung in erster Linie die Erkenntnis, dass von einer<br />
103 Wenn die reine Häufigkeit des Konsums für eine Quellenerinnerung verantwortlich wäre, dürfte es gar<br />
keine Kultivierungseffekte bei Vielsehern (auch des Gesamtprogramms) geben. ➔<br />
84