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Übersicht <strong>Medien</strong>pädagogische Interventionsstrategien<br />
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❙ Kinder müssen für die <strong>Gewalt</strong>tätigkeit medialer Darstellungen sensibilisiert <strong>und</strong><br />
veranlasst werden, Maßstäbe für die Beurteilung von <strong>Gewalt</strong> im Alltag auch auf<br />
Fernsehgewalt anzuwenden. Hilfreich ist hierbei v. a. die Berücksichtigung der<br />
Opferperspektive <strong>und</strong> die Beurteilung einer <strong>Gewalt</strong>handlung mit Hilfe möglichst<br />
vieler unterschiedlicher Kriterien.<br />
Zur ersten dieser Hypothesen merken Freitag <strong>und</strong> Zeitter (2001, S. 23) an, dass es zwar<br />
empirische Hinweise auf eine Wirksamkeit entsprechender Strategien gebe, dies je<br />
doch in der Praxis das Problem aufwerfe, dass die Position eines „(moralisch) Besserwis<br />
senden“ eingenommen werden müsse.<br />
Empirisch untersucht wurden von Freitag <strong>und</strong> Zeitter (2001; vgl. auch Freitag 2000)<br />
nur die beiden letzten Hypothesen. Hierzu fand eine Befragung von 37 8- bis 9-jährigen<br />
Gr<strong>und</strong>schulkindern statt (18 Mädchen, 19 Jungen). Diese sollten zunächst elf Alltagsbei<br />
spiele von <strong>Gewalt</strong> danach beurteilen, ob es sich ihrer Ansicht nach um <strong>Gewalt</strong> handele,<br />
<strong>und</strong> ihre Meinung begründen. Zwei Wochen später sahen die Kinder neun gewalthal<br />
tige Filmausschnitte, die insgesamt elf unterschiedliche <strong>Gewalt</strong>handlungen themati<br />
sierten. Wiederum sollten die Kinder angeben, ob die Ausschnitte <strong>Gewalt</strong> enthielten<br />
<strong>und</strong> ihr Urteil begründen.<br />
Es stellte sich heraus, dass Kinder ähnliche <strong>Gewalt</strong>handlungen in den Alltagsbeispielen<br />
häufiger als <strong>Gewalt</strong> einstuften als in den Fernsehbeispielen. Freitag <strong>und</strong> Zeitter (2001,<br />
S. 25) folgern daraus: „Aus einem mangelnden Gespür für die <strong>Gewalt</strong>tätigkeit medialer<br />
Darstellungen lässt sich also nicht auf eine entsprechende Unempfindlichkeit für<br />
<strong>Gewalt</strong> im Alltag schließen.“ Des Weiteren waren Unterschiede in der Begründung von<br />
Alltags- <strong>und</strong> Fernsehgewalt zu konstatieren. Die Begründungen für Fernsehgewalt<br />
konzentrierten sich auf den Täter, die für Alltagsgewalt auf Täter <strong>und</strong> Opfer gleicher<br />
maßen. Zudem zogen die Kinder zur Beurteilung von Alltagsgewalt mehr Kriterien<br />
heran. Auch überwogen bei den Fernsehbeispielen Begründungen, die sich auf äußere<br />
Merkmale von Tätern <strong>und</strong> Opfer bezogen, während bei Alltagsbeispielen in gleichem<br />
Maße der innere Zustand der Beteiligten herangezogen wurde. Die Verfasser sehen<br />
darin einen Indikator dafür, dass sich Kinder bei Alltagsbeispielen stärker in die Rolle<br />
eines Beteiligten hineinversetzen. Sie argumentieren, dass Kinder bereits ein „medien<br />
spezifisches Rezeptionsschema“ besitzen würden, „das sie <strong>Gewalt</strong> im Fernsehen des<br />
halb nicht mit <strong>Gewalt</strong> im Alltag verwechseln lässt, weil sie Ersteres unter anderen<br />
Kriterien beurteilen als Letzteres.“ (Freitag/Zeitter 2001, S. 28).<br />
Weiterhin wurde festgestellt, dass Kinder, die bei ihren Urteilen über Alltagsgewalt die<br />
Opferperspektive stärker berücksichtigten, mehr <strong>Gewalt</strong> im Fernsehen erkannten. Auch<br />
Kinder, die mehr Begründungen vorbrachten, d. h. mehr Kriterien zur Beurteilung von<br />
<strong>Gewalt</strong> heranzogen, identifizierten mehr <strong>Gewalt</strong>, <strong>und</strong> zwar noch stärker im Fernsehen<br />
als im Alltag.<br />
Die Verfasser folgern aus ihren Bef<strong>und</strong>en, dass Kinder <strong>Gewalt</strong> im Fernsehen <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong><br />
im Alltag unterschiedlich beurteilen <strong>und</strong> diese Unterscheidungsfähigkeit durch medien<br />
pädagogische Programme gestärkt <strong>und</strong> ausgebaut werden sollte. Wenn dabei die Opfer<br />
perspektive betont <strong>und</strong> möglichst differenzierte Beurteilungskriterien vermittelt würden,<br />
d. h. eine Schulung des <strong>Gewalt</strong>verständnisses stattfinde, dann könne, „die dramaturgi-<br />
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