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Übersicht Wirkungen von <strong>Gewalt</strong> in Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
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unter besonderen Umständen möglicherweise auch mit diesen Aspekten auseinander<br />
setzen [...]“ (Büttner 2000, S. 64), wobei dies bei verschiedenen Jugendlichen früher oder<br />
später oder auch überhaupt nicht geschehe. Diese Aussage ist allerdings zu allgemein<br />
gehalten, um daraus irgendwelche Konsequenzen ziehen zu können.<br />
Als Ersatz für einen „Initiationsritus“ betrachten auch Dolf Zillmann <strong>und</strong> James B. Wea<br />
ver (1996) den <strong>Gewalt</strong>filmkonsum. Sie gehen davon aus, dass die Möglichkeit, die eigene<br />
gesellschaftliche Rolle einzunehmen bzw. zu erproben, eine Motivation zum <strong>Gewalt</strong><br />
filmkonsum darstellt. Zillmann <strong>und</strong> Weaver (1996, S. 81) meinen: „Adolescents of<br />
modern society have to demonstrate their compliance with societal precepts in alterna<br />
tive social contexts, and we suggest that going to the movies provides such a context.“<br />
Im Zentrum der Überlegungen der beiden Forscher steht dabei die Geschlechtsrollenso<br />
zialisation. Sie vertreten die Ansicht, dass Männer durch violente Filme Gelegenheit<br />
erhielten, ihre Beherrschung von Gefahr <strong>und</strong> Furcht zu demonstrieren, Frauen dage<br />
gen, geschlechtsrollenstereotypes Verhalten in Form von Hilflosigkeit <strong>und</strong> Furcht zu<br />
zeigen. Diese Art der Erklärung ist kompatibel mit Angstauslösung durch entsprechen<br />
de <strong>Medien</strong>inhalte, denn die Befriedigung, eine Bedrohung gemeistert zu haben, setzt<br />
die Wahrnehmung als Bedrohung incl. der damit einhergehenden negativen emotio<br />
nalen Reaktionen voraus (vgl. Sparks/Sparks 2000, S. 85).<br />
In Bezug auf die Erprobung von Geschlechtsrollen ist auch eine Untersuchung von<br />
Dafna Lemish (1998a; 1998b) mit 901 jüdischen Gr<strong>und</strong>schulkindern in Israel interessant<br />
(mit 254 Kindern wurden zudem Intensivinterviews durchgeführt). Ausgangspunkt<br />
von Lemishs Untersuchung war die Beobachtung, dass Wrestling-Programme eine<br />
neue Quantität <strong>und</strong> Qualität von Schulgewalt unter Gr<strong>und</strong>schulkindern zur Folge<br />
gehabt habe. Dies war das Ergebnis einer Befragung von 285 Gr<strong>und</strong>schulleitern. 74<br />
Selbstangaben der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zufolge sahen weniger Mädchen als<br />
Jungen Wrestling-Programme im Fernsehen (34 % der Mädchen <strong>und</strong> 69 % der Jungen<br />
gaben an, wöchentlich oder zumindest gelegentlich solche Sendungen während des<br />
vergangenen Jahres gesehen zu haben; 37 % der Mädchen, aber nur 15 % der Jungen<br />
meinten, solche Sendungen noch niemals gesehen zu haben). Hinzu kam, dass Mäd<br />
chen zu einem höheren Anteil mit anderen Familienmitgliedern (<strong>und</strong> v. a. aufgr<strong>und</strong><br />
von deren Programmentscheidung) Wrestling-Sendungen sahen, als dies bei Jungen<br />
der Fall war (74 % der Mädchen, aber nur 45 % der Jungen gaben an, mit anderen Famili<br />
enmitgliedern zusammen zu schauen). In Bezug auf das Imitationsverhalten gaben<br />
weniger Mädchen als Jungen an, während des laufenden (10 % der Mädchen, 23 % der<br />
Jungen) oder des vergangenen Jahres (11 % der Mädchen, 32 % der Jungen) Wrestling-<br />
Kämpfe nachgespielt zu haben. Bei Mädchen war dies eher zu Hause denn in der Schu<br />
le der Fall. Insgesamt zeigte sich bei Mädchen ein geringeres Interesse am Wrestling<br />
als bei Jungen. Es gab allerdings durchaus Mädchen, die sich damit beschäftigten <strong>und</strong><br />
offenbar für eine Imitation der männlichen Fernsehmodelle empfänglich waren.<br />
74 Eine höhere physische Aggressivität bei Vielsehern von Wrestling-Sendungen stellten auch Gentile,<br />
Linder <strong>und</strong> Walsh (2003) fest. ➔<br />
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