27.10.2013 Aufrufe

Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer ...

Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer ...

Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Portfolio in der Waldorfschule<br />

Was in der Unterstufe noch angemessen sein mag – Lernen zu tun, aber nicht zu<br />

reflektieren – wird offenbar unbesehen bis in die Oberstufe verlängert: Was, wozu und<br />

wie man lernt, ist normalerweise kein Thema. Soll also Portfolioarbeit als Akt der<br />

Lernreflektion gelingen, müssen Schüler erst einmal lernen, mit ihrem eigenen Lernen<br />

bewusst umzugehen: Ihr Lernen muss für sie zum Thema werden.<br />

Dabei geht die Portfolioarbeit in einer spezifischen Weise mit dem Thema Lernen um:<br />

Sie beruht auf der Grundfeststellung, dass Tätigkeiten Fähigkeiten voraussetzen, und<br />

dass man <strong>des</strong>halb aus geglückten Tätigkeiten darauf <strong>zur</strong>ückschließen kann, dass der<br />

Tätige über diese Fähigkeiten verfügt (sie also früher schon gelernt hat) bzw. sie in der<br />

Auseinandersetzung mit der Tätigkeit (Aufgabe) aktuell erworben, d. h. in diesem<br />

Prozess gelernt hat. Ebenso wie man aus missglückten Tätigkeiten darauf schließen<br />

kann, welche Fähigkeiten fehlen, also noch gelernt werden müssen. Dieser<br />

Grundzusammenhang war den Schülern der Projektschulen zunächst einmal<br />

unbekannt und auch nicht immer spontan einleuchtend. Das erklärt, weshalb sich<br />

durch beinahe alle Portfolios die Neigung durchzieht, im Portfolio den Arbeits- bzw.<br />

Handlungsprozess nochmal zu rekonstruieren und zu beurteilen (das war gut, das war<br />

schlecht, hier hätte man etwas anderes machen müssen …), die Tätigkeitsebene also<br />

gar nicht zu verlassen und die Ebene der (gelernten oder zu lernenden) Fähigkeiten<br />

gar nicht zu betreten. Die Schüler schafften es in der Regel nicht, sich von dieser<br />

Sachebene zu lösen, also nicht nur die Sachergebnisse zu beurteilen, sondern sich zu<br />

fragen, was sie dabei gelernt haben bzw. lernen konnten oder was dabei an Lernbedarf<br />

sichtbar gworden ist. Es handelt sich hier um einen offenbar bedeutenden<br />

Bewusstseinsschritt.<br />

Um diesen Wechsel auf die Lernebene vollziehen zu können, benötigen die Schüler<br />

eine Hinführung, in der dieser Wechsel ihnen überhaupt erst einmal plausibel gemacht<br />

wird. Sie müssen erst grundlegend lernen, die Welt unter dem Gesichtspunkt <strong>des</strong><br />

Lernens – „durch die Lernbrille“ – anzuschauen.<br />

Für Waldorfschulen ist das ein besonders überraschen<strong>des</strong> Ergebnis. Das Leben,<br />

Biografien, Krisen, Ereignisse, Krankheiten, Behinderungen unter dem Gesichtspunkt<br />

<strong>des</strong> Lernens, der <strong>Entwicklung</strong>, der mehr oder weniger bewussten und gewollten<br />

Schulung anzuschauen (also unter dem Gesichtspukt, „was man daran lernen kann“)<br />

gehört zu den grundlegenden waldorfpädagogisch-anthroposophischen Haltungen und<br />

Betrachtungsweisen, die auch z. B. an Biografien bedeutender Persönlichkeiten, aber<br />

auch etwa an bedeutenden <strong>Entwicklung</strong>sromanen der Weltliteratur – etwa dem in der<br />

Waldorfschule so wichtigen „Parzival“ – im Unterricht selbst geübt werden. Offenbar<br />

kommt aber in der Regel kaum jemand auf den Gedanken, hier eine Brücke zum<br />

231

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!