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Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer ...

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Portfolio in der Waldorfschule<br />

Letztlich kann man wohl als Lehrer nur mit Kompetenzportfolios arbeiten, wenn man<br />

von der urspünglichen, freien und meist unkalkulierbaren Kraft <strong>des</strong> Lernens überzeugt<br />

ist, wenn sie einen begeistert und wenn man sich selbst als einen Diener dieser Kraft<br />

versteht. Dieser Paradigmenwechsel ist aber natürlich nicht einfach ein Austausch von<br />

Theorien, sondern er greift tief in Fragen <strong>des</strong> Selbstverständnisses, der Selbstgefühle,<br />

der Grundüberzeugungen und Grundhaltungen, der Statusfragen von Lehrern ein. Hier<br />

liegt der Kern aller Schwierigkeiten der Schulen bei der Einführung von<br />

Kompetenzportfolios: Letztere sind inkompatibel mit dem überkommenen Selbstbild,<br />

das Lehrer von ihrer Aufgabe haben, und dieses Selbstbild muss sich in Richtung<br />

„Lernbegleitung“ wandeln, bevor die Portfolioarbeit an einer Schule wirklich fruchtbar<br />

werden kann.<br />

Genau dies dürfte in der Regel länger dauern als zwei Jahre.<br />

6.2.3.3. Kontrollverluste der Lehrer<br />

Der gerade eingeschlagene Weg führt uns zu noch mehr Abgründen und<br />

Stolperstellen. Einige unserer Lehrer waren völlig überrascht, als ihnen –<br />

bemerkenswert spät – aufging, dass die Portfolios von den Schülern verfasst werden,<br />

nicht von ihnen, den Lehrern, und dass die Lehrer allenfalls Kommentare zu dem<br />

beisteuern dürfen, was die Schüler geschrieben haben. Das ist natürlich eine direkte<br />

Folge <strong>des</strong>sen, was im letzten Abschnitt als „Freigabe <strong>des</strong> Lernens“ beschrieben wurde:<br />

Ein Lehrer kann ja faktisch von außen nicht und niemals beurteilen, was ein Schüler an<br />

einer Aufgabe tatsächlich gelernt hat, sondern das kann nun mal nur dieser Schüler<br />

selbst. Lehrer könnten nur sagen, was der Schüler hätte lernen sollen – aber das<br />

gehört wiederum nicht ins Portfolio.<br />

Diesen einfachen Grundsachverhalt zu erkennen, stellt eine erste schwierige Klippe für<br />

Lehrer dar. Dass aber im Portfolioprozess nicht der Lehrer, sondern der Schüler die<br />

Lernergebnisse analysiert, sichtet und beurteilt, greift ein altes Privileg der Lehrer an.<br />

Es geht beim Erstellen <strong>des</strong> Portfolios eben nicht um eine „Lernzielkontrolle“, nicht um<br />

die Überprüfung, ob der Schüler auch das, was der Lehrer wollte, gelernt hat. Sondern<br />

es geht darum, die freie, fruchtbare Kraft <strong>des</strong> Lernens einzufangen, einen grundsätzlich<br />

offenen Prozess abzubilden. Lehrer können gar nicht wissen, was dabei herauskommt,<br />

und es kann durchaus sein, dass das, was dem Schüler an Lernerfahrung dabei<br />

wichtig ist, mit dem, was der Lehrer erreichen wollte, nur wenig zu tun hat. Dies zu<br />

akzeptieren und vielleicht auch noch gut zu finden, ist erst möglich, wenn der Lehrer<br />

das Vorurteil, es bestünde eine stabile Verbindung zwischen dem Lernen und dem,<br />

was er selbst lehrt, aufgegeben hat (s.o.).<br />

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