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Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer ...

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Portfolio in der Waldorfschule<br />

Vermutlich haben diese Selbstdarstellerportfolios die gleiche Wurzel wie die allzu<br />

platten Portfolios: Es gilt als peinlich und unschicklich, über die eigenen Fähigkeiten zu<br />

sprechen und diese hervorzuheben (weshalb es, wenn man sich über das Tabu<br />

hinwegsetzt, leicht zu Entgleisungen kommt). Diese Hemmschwelle muss für die<br />

Portfolioarbeit überwunden werden, denn sie bildet ja gerade ein Übfeld, wie sachlich<br />

und nüchtern, ohne den Verdacht <strong>des</strong> übertriebenen Selbstlobs, „erfahrungsbasiert“<br />

über die eigenen Stärken gesprochen werden kann. Schüler müssen das offenbar<br />

gezielt lernen, sich selbstbewusst, aber erträglich selbst in Szene zu setzen, sich selbst<br />

sachlich darzustellen und zu „verkaufen“, denn der Arbeitsmarkt, den sie bald betreten<br />

werden, erwartet genau dieses von ihnen: Sich in selbstverständlicher „bescheidener<br />

Gelassenheit“ <strong>des</strong> eigenen Könnens bewusst zu sein und dies auch zum Ausdruck<br />

bringen zu können. Wir sind überzeugt davon, dass die Portfolioarbeit eine sehr gute<br />

Vorbereitung auf diese etwas widersprüchliche Anforderung sein könnte. Dies natürlich<br />

nur, wenn mit den Schülern geübt würde, wie sie sich mit den – im günstigen Fall – in<br />

der Portfolioarbeit erworbenen Einsichten in die eigenen Fähigkeiten und Stärken in<br />

der Welt bewegen können. Dieser Schritt wurde in keinem einzigen Teilprojekt<br />

vollzogen, nicht einmal in Bochum, wo ja gerade dieser Außenaspekt eine besonders<br />

große Rolle spielte: Die Schüler wurden in keinem Fall darauf vorbereitet, mit den<br />

Portfolioergebnissen vor eine Öffentlichkeit zu treten (wobei man sehr schnell gemerkt<br />

hätte, dass die wenigsten sogenannten Portfolios sich dazu geeignet hätten).<br />

Dies führt uns zu einer weiteren sehr interessanten Frage: Für wen schreiben die<br />

Schüler eigentlich ihre Portfolios? Welche Adressaten haben sie im Kopf, an welchen<br />

heimlichen Empfänger denken sie beim Schreiben, und an wen sollten sie denken?<br />

Natürlich, dem edlen Gedanken nach schreiben sie „für sich“, d. h., sie schreiben, um<br />

sich selbst über bestimmte Zusammenhänge aufzuklären. Es gibt Portfolios, denen<br />

man anmerkt, dass sie vor allem der Selbstverständigung <strong>des</strong> Autors über sich selbst<br />

dienten, und bei denen man sich selbst als nicht eingeladenen Mitleser erlebt, der in<br />

einen persönlichen und privaten Bereich eindringt. Solche eigentlich nicht für eine<br />

Öffentlichkeit bestimmten Selbstklärungen sind notwendige Vorstufen, sind die<br />

Grundmaterialien der Portfolioarbeit, die aber vor ihrer Veröffentlichung noch unbedingt<br />

eine „objektivierende“ Form benötigen.<br />

Portfolioprozesse haben ja zwei „Stufen“: Zum einen die Untersuchung der an einer<br />

Tätigkeit sichtbar gewordenen oder an ihr gelernten Kompetenzen, zum anderen die<br />

ziel- und addressatengerechte Auswahl und Darstellung <strong>des</strong>sen in Form <strong>des</strong><br />

„Dossiers“, für das die vorausgegangene Untersuchung das „Material“ darstellt, aus<br />

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